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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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aufn Arsch geben«, sagt er und unterbricht sich, um an seiner Zigarre zu saugen, bis sie richtig brennt, »bloß um die Gesichter von den Jungs in der Kriminalabteilung zu sehn, wenn sie sich die Abendnachrichten anschaun.« Er atmet aus, wedelt den Qualm weg. »Das eine muß man dem Täter ja lassen«, brabbelt er weiter, »indem daß er sich selber umgebracht hat, hat er dem Kreis die Kosten für einen Prozeß erspart, ganz zu schweigen von der Inhaftierung später.«
    Norman ist ungewöhnlich gedrückt, während er den Wagen des Sheriffs auf die Interstate lenkt, Richtung Backwater. »Ob du’s glaubst oder nich, ich hab noch nie gesehn, wie sich einer das Gehirn rauspustet«, sagt er.
    »Ich hab mal ein Täter gesehn«, sagt der Sheriff und überläßt sich seinen Erinnerungen, »das war oben in Boston, ich war damals noch Hilfssheriff, der hat Wind davon gekriegt, daß er verhaftet werden soll, und einen Gartenschlauch vom Auspuff ins Innere von seim Auto gelegt, sich eingeschlossen und den Motor angelassen. Er is gestorben und hat sich dabei eine Kassette von Judy Garland angehört.« Der Sheriff verdreht nostalgisch die Augen und krächzt heiser den Text: »I’m always chasin’ rainbows …« Der Song is noch gelaufen, immer noch mal und noch mal, wie wir das Auto aufgebrochen haben. Komisch, daß eim manchmal so ein Melodie nie mehr aus dem Kopf geht.«
    Sheriff Combes verdreht sich auf dem Beifahrersitz, um mit Lemuel zu sprechen, der hinten im Dunkeln in der Ecke hockt. »Wo sie kein Amerikaner sind und so, sind Sie wahrscheins nie dem Regenbogen nachgelaufen.«
    Verträumt sagt Lemuel: »Zu meiner Zeit bin ich auch dem einen oder andern Regenbogen nachgelaufen.«
    Ein paar Meilen fahren sie auf der Interstate, ohne daß einer ein Wort sagt. Dann bricht Norman das Schweigen: »Daß Word Perkins die Kugel mit Knoblauch eingerieben hat, bevor er sich erschossen hat, is ja der Beweis, daß der Täter wirklich der Täter war.«
    »Knoblauch, meine Fresse, daß er sich erschossen hat, is der Beweis, daß er der Täter war«, widerspricht der Sheriff. »Täter, die nichts getan haben, pusten sich nich das Gehirn raus.«
    »Es gibt Ausnahmen von dieser Regel«, bemerkt Lemuel sibyllinisch.
    »Warum sollte sich ein Täter umbringen, wenn er nich der Täter is?« fragt Norman arglos.
    Bevor Lemuel antworten kann, blendet ein entgegenkommender Sattelschlepper mit seinen aufgeblendeten Scheinwerfern Norman und den Sheriff. Norman blinkt ihn mehrmals an und muß sich die Hand vor die Augen halten.
    »Scheißkerl«, flucht er.
    Bubbas Stimme kommt kreischend aus dem Funkgerät. »Was meint ihr, soll ich wenden und das Arschloch festnageln?«
    Der Sheriff schaut auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr. »Wir sind schon spät dran«, sagt er ins Mikrofon. »Wenn wir nicht in der Kampus Kave eintrudeln, bevor die ihre Lasagne weggeputzt habn, gehn die Staatspolizisten her und verhaften die Täterin alleine.«
    Lemuel sieht Normans Augen im Rückspiegel. Der Hilfssheriff schaut in den Spiegel und versucht, das Dunkel zu durchdringen. »Mir is grade was eingefallen«, sagt er, »nämlich daß unser guter Lemuel da hinten eine Zeitlang mit der Tussi zusammengewohnt hat, die in Backwater den Leuten die Haare schneidet.«
    Lemuel wird klar, daß Norman drauf und dran ist, zwei und zwei zusammenzuzählen, und daß er in seiner Einfalt womöglich darauf kommt, daß das Ergebnis vier ist. »Wir haben im April Schluß gemacht«, sagt er rasch. »Ich hab sie seitdem. nicht mal von weitem gesehen.«
    »Unser Lemuel ist ein beglaubigter Held«, sagt der Sheriff, der seinen eigenen Gedanken nachhängt. »Ich werd ihn für unsre Bürgermedaille vorschlagn, dafür, daß er die Polizei so vorbildlich unerstützt hat.«
    Der Wagen rauscht an dem Schild vorbei, das an der Stelle steht, wo das platte Land aufhört und der Ort Backwater anfängt. Lemuel sieht es durchs Fenster. »Backwater University, gegründet 1835. Sitz des Instituts für fortgeschrittene interdisziplinäre Chaosforschung.« Darunter hat jemand »Chaos – leck mich!« gesprayt.
    Könnte es sein. Liegt es im Bereich des Möglichen. Ist er womöglich auf eine weitere, bis jetzt ungeahnte Eigenschaft des Chaos gestoßen? Oder ist das Grafitto nur eine Kapitelüberschrift in Etikette und oraler Sex – Ein Leitfaden für Greenhorns?
    Norman sieht das Haus des Rebbe und fährt langsamer.
    Lemuel beugt sich vor. »Könnten Sie mich in der Stadtmitte absetzen?« fragt er

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