Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
beiläufig. »Ich hab bis Mitternacht Zugang zum Supercomputer des Instituts.«
    Eine Minute später fährt Norman vorsichtig auf den Bürgersteig, hinter den beiden Autos der Staatspolizei, die vor der Kampus Kave parken. Hinter ihnen hält der Wagen mit Bobby und Bubba. Der Sheriff dreht sich auf seinem Sitz um und streckt Lemuel zum Abschied drei Finger hin.
    »Ich würd zu gern wissen, was Sie mit dem Computer treibn, wenn Sie nich grade Serienmorde aufklärn.«
    Lemuel stößt die Tür auf. »Eine legitime Frage«, sagt er. »Ich bin froh, daß Sie sie gestellt haben. Die Antwort lautet, daß ich mich durch die Dezimalstellen von Pi bis zur Unendlichkeit durchwühle.«
    »Aha«, knurrt Norman.
    »Wird Ihn davon nich ganz schwindlig im Kopf?«
    Ein Bein schon im Freien, sagt Lemuel: »Verglichen mit dem High, das man angesichts des Unendlichen bekommt, ist Marihuana Kinderkram.«
    Lemuel geht den Block entlang auf das Institut zu, schaut sich um, ob die Luft rein ist, kehrt um und späht durch das »e« von »Kampus Kave« auf dem Fenster. Mit ihrem strahlendsten Lächeln verteilt Molly Zahnstocher an die vier State Trooper und einen Kameramann vom Fernsehen, während sie alle aufstehen und dem Sheriff und seinen Gehilfen die Hand schütteln.
    Lemuel begreift, daß er keine Sekunde zu verlieren hat. Im Sturmschritt überquert er die Main Street, geht an dem Vierundzwanzig-Stunden-Waschsalon vorbei, biegt in die ungepflasterte Gasse ein und läuft, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Holztreppe hinauf. Keuchend hält er das Ohr an die Tür. Als er nichts hört, tastet er nach dem Schlüssel auf dem Sims über der Tür. Als er ihn findet, atmet er erleichtert auf. Mit zitternder Hand versucht er, den Schlüssel ins Schloß zu stecken. Er holt tief Luft, stützt die rechte Hand mit der linken, steckt den Schlüssel hinein und schließt auf.
    Der Raum ist in das unheimliche Licht des Projektors getaucht, der mit einem Stück malvenfarbener Seide zugedeckt ist. Mayday liegt zusammengerollt auf ihrer Decke und sieht Lemuel unverwandt mit trüben, vorwurfsvollen Augen an. Lemuel bückt sich und streichelt ihr den Kopf.
    Auf dem Plattenspieler kratzt die Nadel endlos in der letzten Rille einer Platte. Lemuel bemerkt nachlässig auf die Couch geworfene Kleider und fängt instinktiv an, sie zusammenzulegen – ein gefältelter Mini, ein hautenger gerippter Pullover, meergrüne Strumpfhosen, ein grauer Calvin-Klein-Slip. Seine beiden Herzen, das auf dem Ärmel und das in seiner Brust, lassen mehrere Schläge aus, während er ein gestreiftes Buttondown-Hemd, ein Paar Designer-Jeans und seidene Boxershorts zusammenfaltet.
    Aus dem Schlafzimmer kommt leises Stöhnen aus der Kehle von jemandem, der gerade vögelt.
    Lemuel hört einen Moment zu, dann steigt er lautlos über den Hund und schnappt sich den Hite Report aus dem Regal. Er packt das Buch mit beiden, plötzlich klammen Händen, geht rückwärts aus dem Zimmer, schließt hinter sich ab und legt den Schlüssel auf den Sims zurück.
    Er hat gerade noch Zeit, sich zwischen der Garage und einem leerstehenden Gebäude zu verstecken, da tauchen schon an beiden Enden der Gasse Scheinwerfer auf. In Schlangenlinien, um den Schlaglöchern auszuweichen, kriechen vier Autos aufeinander zu und halten alle unter der Treppe, die in Rains Loft hinaufführt. Die Scheinwerfer gehen aus. Türen werden zugeschlagen. Eisenbeschlagene Schuhe poltern die Treppe hinauf. Knöchel klopfen an die Tür.
    »Jemand zu Hause?« Unverkennbar Normans Stimme.
    »Ruf noch mal, Norman.«
    »Bist du da, Rain?«
    Eine nackte Glühbirne geht über der Tür an. Die Tür öffnet sich. Eine vertraute Stimme reagiert auf die Anwesenheit eines ganzen Pulks von Polizisten.
    »Was läuft, Norman? Was läuft, Sheriff?«
    »Miss Rain Morgan«, intoniert der Sheriff mit Amtsstimme, »wir haben hier einen amtlichen Durchsuchungsbefehl.«
    Norman ergänzt: »Sie können sich und uns jede Menge Scherereien ersparen, wenn Sie das ausgehöhlte Sexbuch mit dem Titel The Weight Report freiwillig herausgeben.«
    Von drinnen ruft eine Männerstimme: »Was ist denn, Babe?«
    Das weibliche Wesen an der Tür stöhnt auf. »Ach du Scheiße, das hat mir grade noch gefehlt.«
    Der Sheriff, seine drei Hilfssheriffs, die vier State Trooper und die Fernsehreporter, die alles mit einer auf der Schulter getragenen Kamera filmen, drängeln in die Wohnung.
    Lemuel klemmt sich den Hite Report unter den Arm und verschwindet die dunkle Gasse

Weitere Kostenlose Bücher