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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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habe ich dort verwendet, wo es nützlich sein konnte, hinterher abzustreiten, daß es meine Unterschrift war.«
    »Und welche dieser beiden Unterschriften steht auf dem Dokument, auf dem Sie das Unbefugte Betreten gestanden haben?« will die Richterin wissen.
    »Die, bei der jeder Graphologe schwören würde, daß es nicht meine ist.«
    Ein wenig pikiert wendet sich die Richterin an die beiden Verteidiger. »Ich sehe keine Möglichkeit, das Schuldbekenntnis von siebenundsechzig Angeklagten zu akzeptieren, wenn der achtundsechzigste sich für nicht schuldig erklärt. Wenn er des Unbefugten Betretens für nicht schuldig befunden wird, was wir als theoretisch möglich ansehen müssen, würde das bedeuten, daß auch die anderen siebenundsechzig nicht schuldig sind.«
    Die Angeklagten in den vorderen Reihen besprechen sich hastig mit den beiden Verteidigern, lösen sich dann aus der Gruppe und versuchen, Lemuel zu überreden, sich schuldig zu bekennen.
    »Wenn Sie nicht auf den Kuhhandel eingehen«, warnt ihn D. J., »kommt es zu einem richtigen Verfahren. Und wer füttert dann meine Kätzchen?«
    »Eine zweite Verhandlung bedeutet, noch ein oder zwei Nächte im Gefängnis«, fügt der Rebbe hinzu. »Und ich weiß nicht mal genau, in welcher Richtung Jerusalem liegt.«
    »Wie soll ich die Miete für den Tender bezahlen, wenn ich keinem die Haare schneide?« fragt Rain.
    »Ich mußte schon zwei Seminare ausfallen lassen«, beklagt sich Professor Holloway.
    »Ich hab schon zwei Trainingsspiele verpaßt«, sagt einer der Footballspieler. »Hobart mischt uns am Samstag abend auf, wenn unsere Verteidigung bis dahin nicht bombenfest steht.«
    »Das ist Zbig«, teilt Rain Lemuel im Flüsterton mit. »Er ist ein Tackle polnischer Abstammung mit einem unaussprechlichen Nachnamen.«
    »Dann müssen wir uns Anwälte nehm«, gibt Word Perkins mit einem ärgerlichen Blick auf die dreiteiligen Anzüge zu bedenken. »Die kriegen in der Stunde mehr wie ich in der ganzen Woche.«
    »Möchte sich der Angeklagte jetzt erklären?« fragt die Richterin vom Podium herab.
    »Du hast ja wirklich mitgemacht«, flüstert Rain.
    »Wer entscheidet, welche Seite oben ist?« fragt Lemuel Rain.
    »Hey, denen gehört das Grundstück für die Deponie«, erwidert Rain leise. »Denen gehört die Polizei. Denen gehört das Gericht. Die entscheiden.«
    »Falk, Lemuel?« ruft der Gerichtsdiener.
    Lemuel zuckt die Achseln. »Schuldig«, brummelt er.
    Die Richterin schlägt mit dem Hammer auf den Tisch, als sei etwas versteigert worden. Als das letzte Schuldbekenntnis protokolliert ist, verurteilt sie jeden Angeklagten zu dreißig Dollar ersatzweise dreißig Tagen Haft, rafft ihre Akten zusammen und trippelt hinaus, bevor jemand es sich anders überlegen kann.
     
    Als die Angeklagten aus dem Gerichtsgebäude strömen, jeder um dreißig Dollar erleichtert, sind sie im ersten Moment von der grellen Sonne geblendet. Lemuel, flankiert von Rain und dem Rebbe, in der Hand die Plastiktüte mit den Akten des Sheriffs, hört von der Straße her zögernde Jubelrufe. Er beschattet sich mit einem Hefter die Augen, blinzelt und erkennt ungefähr hundert Studenten, die sich in einem kleinen Park auf der anderen Straßenseite hinter der Absperrung der Polizei versammelt haben. Über ihren Köpfen schwebt ein riesiges, wie ein Spinnaker in der Sonne geblähtes Transparent. Daraufsteht in riesigen Lettern:
     
    KLAF .L
    »Was für eine Sprache ist das, Klaf L?« fragt Lemuel den Rebbe.
    »Auf keinen Fall Hebräisch und auf keinen Fall Jiddisch. Klingt für mich wie Liliputanisch.«
    Rain winkt aufgeregt. »Die sind so total happy, daß sie das gottverdammte Transparent verkehrt rum halten«, ruft sie aus. »Verstehst du? Das ist wie der rednet auf dem Fenster von meinem Friseurladen.«
    Die Studenten sehen etwas oder jemanden und lassen ein Gebrüll los, das sich anhört wie das Donnern einer Brandung. Anscheinend wiederholen sie immer wieder dieselben zwei Wörter.
    »Ell Falk! Ell Falk! Ell Falk!«
    »L. Ficker-Falk!« haucht Rain ehrfürchtig.
    Zwei Busse fahren vor dem Gericht vor, und die Angeklagten steigen ein, um die fünfzehn Meilen bis zum Campus in Backwater zu fahren. Auf der Straße, bei einem weißen Lieferwagen mit den Buchstaben »ABC« an der Seite, ruft jemand: »Da ist er – der mit dem gammligen braunen Mantel und der Skimütze mit der Bommel!«
    Verwirrt stolpert Lemuel die Stufen hinab auf die Busse zu und sieht sich jählings zwei Dutzend erwachsenen

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