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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Männern gegenüber, die verschiedene Kameras auf ihn richten. Andere Männer halten lange Stangen, von denen Mikrofone herunterhängen. Blitzlichter flammen auf. Lemuel, der durchaus einen Lynchmob von einem Empfangskomitee unterscheiden kann, wenn er einen sieht, weicht schrittweise zurück; Anzeichen von Angst zeigen sich im jähen Weiß seiner sonst blutunterlaufenen Augen, im leichten Hochziehen der Augenbrauen, im fast unmerklichen Zittern seiner Nasenflügel.
    »Wieso haben Sie für eine Müllkippe Ihr Leben aufs Spiel gesetzt?« schreit jemand.
    »Wie fühlen Sie sich, jetzt, wo der Gouverneur nicht weiterarbeiten läßt, bis ein neues Gutachten fertiggestellt ist?«
    Rain packt Lemuel am Handgelenk und reißt seinen Arm hoch, als sei er eben Schwergewichtsmeister geworden. »Er fühlt sich absolut galaktisch«, ruft sie. »Er kommt aus dem Land, das der Welt Tschernobyl geschenkt hat. Er weiß, was es heißt, Milch von Kühen zu trinken, die gottverdammtes radioaktives Gras fressen müssen.«
    »Er ist dagegen, den Garten Gottes mit atomaren Abfällen zu vergiften«, wirft der Rebbe ein.
    Die Kameras und Mikrofone rücken konzentrisch gegen Lemuel vor.
    »Stimmt es, daß Sie Gastprofessor am Institut für Chaosforschung sind?«
    »Was können Sie uns über den Zusammenhang zwischen Chaos und Tod sagen?«
    »Ich kann zu Ihnen sagen.« setzt Lemuel an, aber seine Stimme geht unter im Geschrei der fragenden Journalisten. Am Häkchen eines Fragezeichens hängt immer schon wieder die nächste Frage. In ihrer hektischen Fragerei merken die Journalisten offenbar nicht, daß keine Antworten kommen.
    »Ist das ein Designermantel, den Sie da tragen, Professor?«
    »Haben Sie schon früher einmal einen Selbstmordversuch unternommen?«
    »Wenn die Bulldozer wiederkommen, werden Sie sich dann wieder auf die Rampe legen?«
    »Wer weiß, welche Seite oben ist?« schreit Rain. Ihre Erregung überträgt sich auf Mayday, die ihr zu Füßen vor Nervosität einen Furz läßt. »Wenn die wiederkommen«, fährt Rain fort, »ist auch der Professor wieder zur Stelle.«
    »Wußten Sie, daß eine Fernsehkamera Sie aufnahm, während Sie auf der Rampe lagen?«
    »War Ihnen klar, daß die Bilder zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden würden?«
    »Achtzig Millionen Amerikaner haben gesehen, wie Sie dem Tod ins Auge blickten. Wie fühlt man sich, wenn man plötzlich ein Held ist?«
    »Wie fühlt man sich, wenn man Menschenmassen anlockt?«
    »Ich bin allegorisch gegen Menschenmassen«, murmelt Lemuel.
    »Was hat er gesagt?«
    »Könnten Sie das wiederholen?«
    Bevor Lemuel den Mund aufmachen kann, schreit ein anderer: »Wie ist es, noch am Leben zu sein?«
    »Stimmt es, daß Sie ein führender Dissident in der Sowjetunion waren?«
    Verzweifelt versucht Lemuel, auch mal ein Wort dazwischenzukriegen. »Es gibt keine Sowjetunion mehr.«
    »Können Sie das Gerücht bestätigen, daß Sie sich einmal vor Breschnews Limousine gelegt haben, um sie an der Ausfahrt aus dem Kreml zu hindern?«
    »Stimmt es, daß Sie auf dem Roten Platz verhaftet wurden, weil Sie gegen die sowjetische Invasion in Afghanistan demonstriert hatten?«
    »Stimmt es, daß Sie Petitionen unterschrieben haben, in denen der KGB aufgefordert wurde, sich öffentlich für siebzig Jahre Terror zu entschuldigen?«
    »Ich habe Petitionen unterschrieben, aber ich habe nicht meine richtige Unterschrift verwendet«, versucht Lemuel zu erklären, aber die Fragen übertönen nach wie vor die Antworten.
    »Ist etwas Wahres an dem Gerücht, daß Sie Rußland verlassen haben, um sich dem Wehrdienst zu entziehen?«
    »Was halten Sie von den amerikanischen Frauen?«
    »Was halten Sie vom amerikanischen Essen?«
    »Was halten Sie von Amerika?«
    »Ihr Städte, Ihre Bürger sind kleiner als in Rußland«, antwortet Lemuel, »aber vielleicht kommt mir das nur so vor, weil ich erwartete, daß.«
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Waren Sie Ihrer Frau jemals untreu?«
    »Falls Sie sich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten träfen, was würden Sie ihn fragen?«
    In einer ganz plötzlich eintretenden Pause kann man Lemuel deutlich sagen hören: »Ich würde ihn fragen, wie eine Stadt mehr Florida sein kann als eine andere.«
    »Sind Sie für oder gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung auf fünfundfünfzig Meilen?«
    »Sind Sie für oder gegen die Frauenbewegung?«
    »Sind Sie für oder gegen die Todesstrafe?«
    »Die Sozialisten haben ihre Chance gehabt«, sagte Lemuel, »jetzt muß der

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