Der Gastprofessor
werden.«
Rain wirft Dwayne den Öffner zu, und er fängt an, die Dosen aufzumachen. »Hey, ich hab dir ja gesagt, er wattiert seine Preise«, sagt sie.
Shirley sagt: »Rain meint, wir müssen alle hin und wieder was klauen, damit die Supermärkte nicht zu hohe Gewinne machen, weil kein Mensch was mitgehen läßt.« Sie legt den Arm um Rains Arsch und drückt ihn. »Du bist schon eine Marke.«
»Ich hab dich unheimlich gern«, lacht Rain. Sie beugt sich hinunter und küßt Shirley leicht auf den Mund.
»Na, ich dich doch auch«, erwidert Shirley mit einem verlegenen Kichern.
Dwayne schiebt jedem eine Dose gefilte fisch hin. Rain teilt Matzen aus wie Spielkarten. »Weil du jüdischen Glaubens bist«, sagt sie zu Lemuel, »hab ich mir gedacht, du magst so was.«
»Kommt aus Israel«, wirft Shirley munter ein. »Wenn du schon gefilte fisch klaust, hättest du auch noch Rettich mitnehmen können«, beklagt sich Dwayne.
Nach dem Abendessen entschuldigt sich Lemuel und geht ins Gästezimmer, um noch mehr Bytes aus den Akten des Sheriffs in seinen Tischcomputer einzugeben. Die anderen gehen nach einer Weile ins Wohnzimmer. Shirley nimmt die Mäntel herunter, drapiert sich über die Couchlehne und bittet Rain um einen Hit. Rain nimmt ein ausgehöhltes Exemplar des Hite Report aus dem Regal, öffnet es auf dem Tisch, schiebt die LSD-Tabletten und Päckchen mit Hasch beiseite, nimmt sich einen Joint und kuschelt sich vor dem Fernseher zusammen, in dem ein Humphrey-Bogart-Film ohne Ton läuft. Sie zündet den Joint an, nimmt einen tiefen Zug und reicht den Joint an Shirley weiter. Shirley zieht einmal daran und gibt ihn an Dwayne weiter.
»Ich kapier das nicht«, sagte Dwayne mit einem seltsamen Unterton zu Rain.
»Was kapiert er nicht?« fragt Shirley Rain. »Was kapierst du nicht, mein Engel?«
Dwayne spielt mit dem Silberring in seinem Ohr. »Ich blick da nicht durch, bei Lem und Rain. Ich seh natürlich, was er davon hat, da müßte man ja blind sein. Aber was bringt es Rain?«
»Lem ist ein Sahnetörtchen«, sagt Shirley. »Ich hab auch eine Schwäche für süße Sachen.«
»Er kommt aus einem Land, wo die moderne Pest praktisch unbekannt ist«, erklärt Rain mit der Andeutung eines trotzigen Lächelns. »Außerdem ist er unschuldig – wann hat einer von euch Typen das letzte Mal sein weiches Herz auf dem Ärmel getragen? Außerdem ist er schlauer als wir drei zusammen.«
»Wo Rain recht hat, hat Rain recht«, sagt Shirley verträumt.
»Und noch was, last but not least«, fährt Rain fort. »Seit er bei mir wohnt, hör ich keine Trommeln mehr im Ohr.«
»Aber mag er denn Joghurt?« fragt Dwayne anzüglich.
»Dwayne ist ganz wild auf Joghurt«, bemerkt Shirley. »Stimmt’s, Schatz?«
»Rain weiß, daß ich Joghurt mag. Das weißt du doch, oder, Babe?«
Rain beobachtet durch die offenstehende Tür Lemuel, der zusammengesunken an seinem Computer sitzt. Als der zweite Joint zur Hälfte geraucht ist, springt sie auf, schaltet den Fernseher aus und bedeutet Dwayne und Shirley, daß es Zeit ist, die Kurve zu kratzen.
Shirley schmollt. »Du schmeißt uns doch nicht schon raus? Es ist ja noch heute.«
»Ich hatte ja irgendwie gehofft, wir könnten über Nacht bleiben«, sagt Dwayne.
»Und ich hatte gehofft, die neue Ware begutachten zu können«, gesteht Shirley, die inzwischen angenehm bekifft ist.
»Ein andermal, versprochen«, sagt Rain.
»Was Rain verspricht, das hält sie auch«, sagt Dwayne mit einem wissenden Lächeln.
Rain gibt ihnen noch zwei Joints als Wegzehrung mit. Sie läßt sich auf die Couch fallen, schlenkert die Schuhe weg und streichelt Mayday mit den Zehen. Nach einer Weile ruft sie: »Wenn ich dich um mich habe, komme ich mir minderwertig vor. Hörst du, L. Ficker-Falk? Ich mein, ich bin doch dumm wie Bohnenstroh verglichen mit dir. Du weißt so viel, daß du sogar weißt, was du nicht weißt. Wo hast du eigentlich all das Zeug über Chaos und Zufall gelernt?«
Lemuel kommt gemächlichen Schritts ins Zimmer und zieht die Augenbrauen hoch, als er das mit Tabletten, Päckchen und Joints gefüllte ausgehöhlte Buch sieht. »Wo sind denn Dwayne und Shirley hin?«
»Die haben sich verdünnisiert.« Sie sieht Lemuel argwöhnisch an. »Also, wie wird man ein Homo chaoticusl«
Lemuel läßt sich neben ihr auf der Couch nieder und reibt sich die Augen, die röter sind als gewöhnlich. »Ich habe alles, was ich weiß, in der U-Bahn aufgeschnappt«, erklärt er. »Ich hatte einen Professor,
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