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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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auf, gähnt, schließt dann ein Auge und beobachtet Rain mit dem anderen. Rain schaut durch die offene Küchentür zurück und sieht das I. J. u. I. V. n. G. e. m. n. a. a. m. A. u. m. U. z. G. auf der Tafel. »Was ich dich fragen wollte«, sagt sie betont beiläufig, »wie lange behalten die dich eigentlich an deinem Chaos-Institut?«
    »Der Vertrag über die Gastprofessur lautet auf ein Semester.«
    Die Stille zwischen Frage und Antwort ist plötzlich elektrisch geladen. »Und dann?« Lemuel zuckt die Achseln.
    »Hast du schon mal dran gedacht hierzubleiben? Am Institut? In Amerika?«
    »Was muß ich tun, um Amerikaner zu werden?« Rain bringt ein angestrengtes Lächeln zustande. »Hey, kauf dir eine Knarre.«
    Lemuel muß lachen, aber sein Herz ist offenbar nicht dabei. »Ob ich am Institut bleiben kann, hängt davon ab, ob eine Planstelle für einen Wissenschaftler frei wird.«
    »Wenn du dich entschließen würdest, in Amerika zu bleiben, könnte es also auch noch andere Wege geben, stimmt’s?« Lemuel grunzt.
    »Ich meine«, spricht Rain ärgerlich weiter, »willst du überhaupt in Amerika bleiben?«
    »Ich hab noch nicht viel drüber nachgedacht«, sagt er vage.
    »Vielleicht solltest du aber viel drüber nachdenken«, sagt sie. Als er nicht antwortet, zuckt sie gereizt die Achseln. Sie streckt den nackten Arm aus, um das Radio einzuschalten.
    Es läuft gerade das Ende der Kurznachrichten von WHIM.
    »… Wetter im Drei-Kreise-Bezirk am heutigen dritten März wird teilweise bewölkt sein, also auch teilweise nicht bewölkt; für den Nachmittag wird strichweise Regen vorhergesagt, und die Temperaturen werden auf 50 Grad Fahrenheit oder knapp darüber steigen. Wenn Sie im Haus bleiben, sollten Sie also möglichst wenig anziehen. Schreibst du mit, Charlene, Schatz? Ha, ha! Okay, jetzt nehmen wir noch ein paar Anrufe entgegen.«
    Der Moderator schwatzt ein paar Minuten mit einer Frau, die gegen Abtreibung ist, und spricht dann mit einem katholischen Priester, der gegen empfängnisverhütende Mittel ist. »Die einzige Rechtfertigung für die Fleischeslust«, sagt der Priester, »ist die Möglichkeit der Fortpflanzung.«
    Erbost schnappt sich Rain das Telefon und tippt eine Nummer ein, die sie anscheinend im Kopf hat. »Ich hab genug Scheine, um einen gottverdammten Magistertitel in Fleischeslust zu kriegen«, bemerkt sie.
    »Hallo«, schreit sie ins Telefon. »Da bin ich wieder.«
    Eine verknisterte Stimme tönt aus dem Radio. »Da bin ich wieder.«
    »Bist aber früh auf heute, Rain. Oder womöglich verdammt lang wachgeblieben.«
    »Ich bin von dem..« – »Ich bin von dem Anrufer vor mir aufgeweckt worden, der da rumgesülzt hat von wegen Fleischeslust und so. Der hat doch keinen blassen Schimmer. Der weiß so wenig, daß er nicht mal weiß, was er nicht weiß.«
    »Kannst du das noch mal langsam sagen, zum Mitschreiben.«
    »Was verstehen denn Priester.« – »Was verstehen denn Priester vom Vögeln? Der Grund, warum ich praktizierende Katholikin bin, aber nicht den Katholizismus praktiziere, wenn du verstehst, was ich meine, ist, daß die organisierte Religion eine Verschwörung gegen die Frauen ist.«
    »Hör gut zu, Charlene, Schatz. Rain hat eine neue Verschwörungstheorie.«
    »Genau. Wenn du meine Meinung.« – Genau. Wenn du meine Meinung hören willst, Religion ist nichts weiter als ein Komplott der Männer, um den Frauen multiple Orgasmen vorzuenthalten, die Männer ja nicht haben können, indem sie uns Schuldgefühle suggerieren, falls wir Spaß am Sex haben. Machen wir doch keine gottverdammten Umschweife. Jeder weiß, daß ein guter Orgasmus selten allein kommt.«
    »Ich nehme an, du sprichst aus Erfahrung.«
    »Hey, Erfahrungen hab ich …« – »Hey, Erfahrungren hab ich wirklich genug gemacht. Die besten übrigens mit Männern jüdischen Bekenntnisses.«
    »Was ist denn so toll an jüdischen Liebhabern? Wo ich praktizierender Adventist vom Siebenten Tag bin, solltest du vielleicht lieber mal kurz weghören, Charlene, Schatz.«
    »Hey, das kann ich dir.« – »Hey, das kann ich dir sagen, was an jüdischen Liebhabern so toll ist. Erstens einmal hast du ein kleineres Risiko, Gebärmutterhalskrebs zu kriegen, wenn dein Partner beschnitten ist.«
    »Wo hast du denn diese Weisheit her?«
    »Das hab ich.« – »Das hab ich gelesen, und zwar entweder im Hite Report oder im Backwater Sentinel oder im National Geographic. Sonst lese ich nämlich nichts, abgesehen von den Sachen fürs

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