Der Gastprofessor
sich auf einmal anfühlte, als war sie mit Eiswürfeln gefüllt, und sein Periskop war unter die Oberfläche des Ozeans gesunken, der sich zwischen uns ausgebreitet hatte, am Rande unseres zweiten Streits.
»Mach jetzt keine gottverdammten Umschweife«, hab ich dann wohl gesagt, »sag’s frei heraus. Du hältst mich für ungebildet, stimmt’s?«
»Ich glaube, du bist gebildet. auf andere Weise. Du weißt, wie man fickt, aber du weißt nicht, wie man liebt. Ich kann zu dir sagen, daß es möglich ist, sich zu lieben und trotzdem nicht auf die Gewalt, auf den Orgasmus zu verzichten. Ich kann außerdem zu dir sagen, daß meiner Meinung nach nichts mit dir nicht stimmt, was man nicht korrigieren könnte.«
Ich flankte aus der Wanne, schüttelte mich wie ein Hund, um das Wasser loszuwerden, und wickelte den einzigen Körper, den ich je haben werde, in ein Badetuch. »Was meinst du, sollten wir nicht auf der Stelle zum Kern des gottverdammten Problems vorstoßen«, lästerte ich. Ich muß meine Stimme um ein bis zwei Oktaven angehoben haben, denn L. Falks Augen nahmen den erschrockenen Ausdruck an, der an einen Vogel erinnert, der gleich davonfliegen wird. »Daß du mich ficken darfst, heißt noch lange nicht, daß du mich reparieren darfst. Ich bin nämlich nicht kaputt.« Ich wollte mich beruhigen, und fast war’s mir auch gelungen, aber eben nur fast. »Um Himmels willen, L. Falk, eine Zeitlang hab ich gedacht, es könnte was werden mit uns.«
Er stieg auch aus der Wanne. »Es hätte was werden können mit uns«, sagte er aufreizend ruhig – es gibt ja nichts, was einen mehr auf die Palme bringt als ein Typ, der immer ruhiger wird, je mehr man selber in Rage kommt. Er machte das Medizinschränkchen auf und nahm den schwedischen Rasierapparat raus, den die Russentussi mit den Hängetitten ihm geschenkt hatte. Ich traute meinen Augen nicht. Er wollte sich verdammt noch mal rasieren. Mit ihrem gottverdammten Rasierapparat.
»J. Alfred Goodacre hat also doch nicht so ganz schiefgelegen«, murmelte er. »Es hat was mit Chaos zu tun, mit wem ich vögle. In Amerika der Schönen ist Vögeln chaosbezogen.«
Trotz Sonnenseite nach oben und leicht gewendet wußte dieser Stockfisch immer noch nicht, welche Seite oben war. »Bumsen ist eindeutig eine Form von Chaos«, stimmte ich ihm ärgerlich zu. »Deswegen macht es ja soviel Spaß. Hey, wie hast du noch Chaos definiert? Es ist determiniert, also vorherbestimmt, ja? Aber es ist unberechenbar. Genau das bin ich auch. Ich bin dir auch vorherbestimmt, ja? Und ich bin unberechenbar. Denk drüber nach. Ich bin dein gottverdammtes Chaos!«
Ich rauschte aus dem Badezimmer, warf mir ein paar alte Klamotten über und tappte barfuß in die Küche, um mir ein bißchen Joghurt mit Mango-Chutney zu machen. Nach einer Weile kam L. Falk zur Tür herein, pfeifend, um seine Nervosität zu kaschieren. Ich hatte ihn noch nie pfeifen hören und nahm das deshalb nicht als positives, geschweige denn vielversprechendes Zeichen. Mayday muß das Pfeifen auch beunruhigt haben, denn sie ließ zwar weiter den Kopf hängen, aber ihre unbehaarten spitzen Ohren richteten sich auf wie Antennen. L. Falk hatte seinen verschossenen braunen Mantel an und trug seinen alten Tornister von der Roten Armee in der einen und seine Dutyfree-Tüte in der anderen Hand. Er kniete sich vor den Wäschetrockner, machte die Klappe auf und fing an, die trockene Wäsche zu durchsuchen. Er stopfte Socken, Unterwäsche und ein Hemd in die Plastiktüte.
Ich muß zugeben, daß mir das Herz wie verrückt klopfte, aber ich wollte ihm verdammt noch mal nicht die Genugtuung verschaffen, daß er es mitkriegt. »Gehst du aus?« fragte ich so beiläufig, daß man meinen konnte, ich hätte mich ganz nebenbei nach der Uhrzeit erkundigt.
Er wich meinem Blick aus. »Ich nehme einen dieser Nonstop-Flüge nach der am meisten Florida Stadt, die ich finden kann«, verkündete er heiser. »Dair As Sur am Euphrat hat gute Chancen – es geht das Gerücht, daß dieser Ort mehr Florida ist als Miami. Ich ziehe in eine Kakerlaken-Eigentumswohnung mit vollem Personal und zieh nie wieder aus.«
Damit stand L. Falk. auf und ging hinaus. aus meinem ganzen gottverdammten Leben.
Hey, das war kein Beinbruch, es ist ja nicht so, als wäre er der letzte Homo chaoticus auf Erden, oder? Außerdem, Mayday und ich, wir haben uns schon dran gewöhnt, ohne ihn zu leben. Was mir am meisten fehlen wird, obwohl ich ja für alle Fälle noch meinen
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