Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
jauchzten auch die Leute von Köln.
Jean Potage alias David Unterkofler prahlte herum, mit wie viel List und Tapferkeit er die menschenfressende Bestie in die Falle gelockt und wie er sich selbst todesmutig als Köder dargeboten habe. Zwischendurch schlug er Bela mit der Faust gegen Schulter und Schläfe und forderte ihn auf, endlich zu begreifen, was die Stunde geschlagen hatte, und sein Schicksal demütig aus Gottes Hand anzunehmen. Und all das natürlich, während er sich aus den Pranken zu winden versuchte, als er strampelte und dem aufgerissenen Rachen des Tieres auswich.
»Bist du denn so strohdumm, dass du nicht kapierst?«, rief er wieder und wieder. »Du bist erledigt, Meister Petz! Ich habe dich gefangen, dein Fell und deinen Schädel habe ich längst der Tochter des Grafen von Sayn verkauft. Vielleicht wird die Jungfer dann doch noch geheiratet, wenn sie sich darunter versteckt. Und dein Schinken gibt ein schönes Almosen für den Bischof von Münster, damit er sich endlich einmal richtig satt essen kann, der Ärmste!«
Die Grafentochter galt als hässlich, der Bischof als gefräßig und fettsüchtig, und die Leute von Köln krähten vor Vergnügen.
Derartiges erheiterte nicht alle. In der ersten Reihe vor der Bühne richtete die Landgräfin sich auf den Zehenspitzen auf, um ihren Lustigmacher an die Auflagen des Kölner Rates zu mahnen.Das Federgebüsch auf ihrem Hut zitterte und ihr biestiges Bleichgesicht verhieß nichts Gutes.
Weil auch der Directeur de la Compagnie seine Marianne drohen sah, machte er dem Spektakel ein rascheres Ende als vorgesehen und langte einen Brocken Honig aus einem bereitgestellten Topf. Den hielt er an einem Stock in die Höhe, und sofort ließ Bela seine Beute los.
Unter dem Gejohle der Zuschauer plumpste David auf die Holzbohlen. Hoch aufgerichtet auf den Hinterläufen tänzelte Bela zu Stephan und ließ sich den Honig zwischen die Zähne schieben. Stephan griff nach der Kette, zog sie David aus Hand und Tasche und hielt den Bären an ihr fest.
»Ihr lasst sofort meine Jagdbeute los!« David sprang auf und rieb sich den Hintern. »Das ist mein Bär!« Er zog sein Holzschwert, unter Gelächter und Beifall der Zuschauer ging er auf Stephan los.
Und die einstudierte Posse nahm ihren Lauf: Geschickt wich der Herr Pantalon alias Stephan aus, zückte den Degen und führte die gleichen Hiebe wie immer auf den tollpatschigen Angreifer. »Wie kommt Err mirr vor?«, rief er dabei. »Wir rretten Ihn vorr der Bestie und Err geht mit dem Schwerrrt auf Uns los?« Die vor der Bühne Versammelten forderten ihn auf, den Degen wegzustecken, und feuerten Jean Potage an.
Auch die nächste Attacke des ungeschickten Jean Potage ging ins Leere, seine hölzerne Schwertklinge blieb sogar in einer Lücke zwischen zwei Bodendielen stecken.
Der Herr Pantalon entwaffnete ihn, zerrte ihn an den Bühnenrand und rief ins Publikum: »Machen Wirr ihn also um einen Kopf kürrzer!« Die Leute von Köln waren ganz und gar dagegen. »Aber was soll ich anfangen mit einem, derr so dumm ist, dass er Jäger und Beute verwechselt?«
»Freilassen!« Die Zuschauer waren sich sofort einig.
»Ich kann ihn nicht brrauchen, er macht zu viele Dummheiten.«
»Ja, ich bin zu dumm, um Euer Gaukler zu sein«, sagte Jean Potage mit weinerlicher Stimme. Davids Blick traf sich mit dem des Edelspitzbartes. Der stand noch immer mit vor der Brust verschränkten Armen da, das spöttische Lächeln aber war einem heiteren gewichen.
»Dazu kommt, dass er den ehrlichen Leuten das Geld aus der Tasche zieht!« Stephan hebelte dem Jüngeren den Arm unter das Kinn und mimte den Erzürnten.
»Ja, ich bin zu gierig, um ein guter Gaukler zu sein.«
»Und ständig rrennt er den Weibern hinterherr!«
»Ja, ich bin zu geil, um Gaukler zu sein.«
»Zu dumm, zu gierig, zu geil – er ist zu nichts zu gebrauchen, Jean Potage!«
»Zu dumm, zu gierig, zu geil – zu nichts zu gebrauchen«, jammerte David alias Jean Potage, und das Publikum hatte seinen Spaß an diesem Geständnis. Jeans zerknirschte und bedrückte Miene aber hellte sich plötzlich auf. »Doch! Ich bin schon zu etwas zu gebrauchen!« Stephan ließ ihn los und sah ihn zweifelnd an. »Ich werde Jesuit! Da darf man nach Herzenslust Unsinn treiben, und Geld und Mädchen kommen zu einem von ganz allein!«
Das Publikum wieherte und krähte, hielt sich die Bäuche und wollte nicht mehr aufhören zu klatschen, die Landgräfin Marianne vor der Bühne aber blies die Backen auf
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