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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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in ihrer Teilnahmslosigkeit auf, in ihrem gelähmten Gemüt.
    Der Wagen rollte an, der Obergaukler machte einen Spaß, und wieder kam Gelächter auf. Und plötzlich hörte Susanna Hufschlagauf Holz – rasend schnell näherte sich der, wie eine ganze Pferdeherde im Galopp, und jemand rief ständig: »Halt! Halt!« Susanna zog die Schultern hoch, lauschte atemlos, wurde steif. Ganz nah der Hufschlag jetzt, Pferde schnaubten, ganz nah auch das Männergeschrei, und dann verstummte der Hufschlag jäh. »Regiment von Bernstadt, Kompanie von Herzenburg!«, rief draußen ein Mann. »Das sind sie doch, die Gaukler!«
    Susanna wurde übel. »Brave Katholiken sind’s«, rief der krabatische Anführer in gebrochenem Deutsch, ein Feldwebel. »Verdienen ihr Brot mit Zähnebrechen und Musizieren. Na und?«
    »Ich bin der Cornet Mathias von Torgau«, tönte eine kühle Männerstimme. »Meinem Feldwebel hat ein Bär den Rücken zerrissen, und meinem Rittmeister haben die Gaukler seine Hure geraubt. Bär und Weib müssen in diesem Wagen sein!«
    Susannas Haare sträubten sich, auch im Nacken, am Rücken und auf den Armen. Sie fror bis ins Herz. Draußen besprachen die krabatischen Reiter sich mit dem Gaukler, der Stephan hieß. Auf Kroatisch; auch die Frau des Gauklers mischte sich ein. Jemand schlug eine Maultrommel, jemand legte sich über Susannas Beine aufs Bärenfell. »Diese Gaukler stehen unter dem persönlichen Schutz des Capitäns Isolano«, hörte sie draußen den Feldwebel der Krabaten sagen. »Ihr müsst Eure Vorwürfe schon beweisen, Cornet.«
    »Das Frauenzimmer ist da drin und das verdammte Untier auch! Lasst mich auf den Wagen.«
    »Kein Bär, ihr Herren!«, sagte die Frau des Gauklers jetzt. »Meister Petz hatte die Seuche, wir mussten ihn schlachten.«
    »Zwei Tage nach dem Gewittersturm neulich«, bestätigte ihr Mann. »Nur sein Fell und die Hälfte seines eingesalzenen Fleisches sind übrig. Nehmt Euch eine Keule davon, aber lasst uns ziehen. Ich bitt’ Euch herzlich.«
    »Durchsucht endlich den Wagen!« Der kroatische Feldwebel drängte. »Können nicht den ganzen Tag hier herumstehen!«
    Der Wagen schwankte, jemand stieg über den Kutschbock auf die Ladefläche. »Hier stinkt’s ja mächtig«, hörte Susanna den mit der kalten Stimme sagen. Darfst nicht zittern, dachte sie nur, darfst nicht mit den Zähnen klappern. Dann erklangen Schritte im Wagen, und das Brummeisen verstummte. Susanna glaubte, am ganzen Körper zu zittern.
    »Da ist das Fell, und hier ist das Fleisch des Bären«, sagte Stephan. »Bedient Euch, Herr Cornet.« Ein Korbdeckel knarzte. »Hier, Herr Cornet, ist das nicht eine köstliche Bärenkeule? Oder wollt Ihr lieber den Schinken?«
    »Ich kotz gleich. Warum liegt die Zwergin da auf dem Fell?« Susanna biss in den Zeigefinger ihrer gefalteten Hände und hielt den Atem an. Jetzt. Jetzt war es vorbei. Vergeblich versuchte sie, das Wasser zu halten.
    Die Maultrommel verstummte. »Krank.« Rübelraps tiefe Stimme. »Fieber. Hat die ganze Nacht geschissen.«
    »Verflucht!« Jemand ging zurück zum Kutschbock, stieg von der Kutsche.
    »Du sollst nicht fluchen, mein Sohn!« Wieder die tiefe Stimme des riesigen Mannes. »Möge Gott dir verzeihen und die Heilige Jungfrau dich segnen und beschützen.«
    »Ich werde dir gleich einen verzeihen, Bursche!« Der Cornet vor dem Wagen zischte. Metall rieb gegen Metall, es klang, als würde einer seinen Degen ziehen. Alles in Susanna verkrampfte sich; der Schrecken wollte und wollte kein Ende nehmen.
    Palaver erhob sich wieder vor dem Wagen, die Kroaten riefen jetzt alle durcheinander. Ein frommer Eidgenosse sei der Große mit dem Brummeisen, erklärte einer, ein geweihter Priester der Heiligen Römischen Kirche, und er habe viel gelitten unter den Ketzern in Heidelberg um seines Glaubens willen.
    Schnell legte sich das Stimmengewirr, Rübelraps Brummeisen tönte wieder, Pferde schnaubten. Und dann entfernte sich Hufschlag.
    Krabaten und papistische Brückenposten lästerten noch eine Weile über den Cornet, den Freiherrn von Schnösel. Endlich rollte der Wagen an. Susanna wusste nicht, wie ihr geschah. Ihre Anspannung löste sich nach und nach, und sie weinte leise in die Decke. Auf einmal war ihr sehr heiß im Bärenfell.
    Stephan unterhielt sich noch eine Zeitlang mit dem krabatischen Feldwebel. Zum Abschied schenkte er ihm den Bärenschinken. Bald danach rollte der Wagen bergan.
    »Susanna?« Jemand begann, sie aus dem stinkenden Bärenfell zu

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