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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Und unterhalb des väterlichen Weinbergs liefen zwei Offiziere zu ihrem mordenden, schändenden Räuberpack …
    Hannes glaubte, sie leibhaftig vor sich zu sehen: den Hauptmann mit den langen schwarze Locken unter dem weiß gefiederten Hut, und den anderen, größeren mit der ungarischen Haube und der blauen Standarte in der Faust.
    Das war er! Die verheilten Schusswunden schmerzten auf einmal, und das Atmen fiel ihm schwer. Das war einer der Mörder! Ganz steif saß Hannes plötzlich auf seinem Rappen. Seine Linke umklammerte den Griff des Degens, als wollte er ihn zerquetschen. Ich bin gerade an einem der Mörder meiner Familie vorbeigeritten!
    Noch einmal sah er sich um, fasste den Cornet und die Standarteins Auge und suchte den Hauptmann mit den schwarzen Locken unter den Reitern in seiner unmittelbaren Umgebung. Doch da war keiner, den er wiedererkannte.
    »Was guckst du?«, fragte der Corporal, der an seiner rechten Seite ritt. »Verwandtschaft?«
    Hannes schüttelte stumm den Kopf. In seiner Brust herrschte nun Aufruhr. Erst flammte der Schmerz ihm durch alle Glieder, dann der Hass, sodass seine Hände heftig nach den Zügeln griffen. Der Rappe spürte die Erregung des Reiters, schnaubte und warf den Kopf in den Nacken.
    Jetzt ganz ruhig, rief Hannes sich zur Ordnung, jetzt nur nichts überstürzen. Er atmete tief ein, versuchte den lodernden Hass zu bändigen, versuchte die Gedanken und Bilder zu ordnen, die seinen Geist fluteten – seine Eltern, seine Geschwister, Monica, Moritz, Friedrich. Ihre Gesichter, ihre Stimmen …
    Was sollte er tun? Fluchen? Weinen? Anhalten? Weiterreiten, als wäre nichts geschehen? Umkehren und den Karabiner auf den Kerl richten? Im Galopp auf ihn losgehen und ihm die Klinge in die Brust rammen?
    Stimmen, Getrommel und Flötenklänge rissen Hannes aus seinen hitzigen Grübeleien zurück in die Gegenwart. Sie ritten auf den Markplatz. Hier lungerte auch bayrisches Fußvolk herum. An die hundert Männer spielten, scherzten, schimpften und palaverten. Keiner, der seine Waffen auf die Kolonne richtete, keiner, der ihnen drohte, keine Gefahr. Noch vierhundert Fuß bis zum Stadttor, dort irgendwo flöteten und trommelten Spielleute.
    Nach Heidelberg reiten, nach Susanna suchen, die Mörder seiner Familie bestrafen – das blieb übrig vom Durcheinander in seinem heißen Kopf. Hannes hatte sich wieder im Griff und wusste, was er zu tun hatte: Nach Heidelberg reiten, nach Susanna suchen, die Mörder seiner Familie bestrafen – in dieser Reihenfolge. Jetzt auf den Cornet loszugehen hätte eine Schlächterei ausgelöst und wäre Selbstmord gewesen.
    Auf der anderen Seite des Marktplatzes, wenige Schritte vor dem offenen Stadttor, wehten große Prachtstandarten über Tischen und Männern. Hier standen auch zwei Trommler und einige Männer, die auf Querpfeifen bliesen. An den Tischen hockten Offiziere, lasen aus Papieren vor oder schrieben in Bücher; vor den Tischen drängten sich Wartende. Wenige Schritte hinter ihnen zog die Kolonne der abziehenden Garnison vorbei. Ihre Spitze mit dem Obristen und dem Feldprediger hatte das Tor schon durchquert.
    »Der Kaiser ist großzügig!«, rief ein bayrischer Offizier den Reitern und Fußsoldaten in der Kolonne zu. »Der Kaiser verzeiht! Werdet einmal recht klug und führt eure Waffen künftig für den Sieger!«
    Zu seiner Verwunderung erkannte Hannes einige Arkebusiere, Musketiere und Pikeniere, mit denen er in den vergangenen Monaten Seite an Seite auf dem Wehrgang der Festungsmauer gegen Tillys Bayern gekämpft hatte. »Verräter!«, zischte der Gefreite, der vor ihm ritt. Der Corporal links von ihm spuckte aus, und schlagartig begriff Hannes: Ein Musterplatz! Die Bayern versuchten hier Waffenknechte anzuwerben, Soldaten aus dem kleinen Heer des Obristen Bartholomäus Schmid.
    »Kein Verräter zu sein macht noch lange nicht satt«, sagte ein Gefreiter der Nachhut. »Oder wann habt ihr zum letzten Mal Sold gesehen?« Er riss am Zügel, lenkte sein Pferd aus der Nachhut und trabte zum Werbeplatz. Der Corporal, der rechts von Hannes ritt, fluchte ihm leise hinterher.
    Sie ritten dem Tor entgegen, ließen Trommler, Pfeifer und den letzten Musterungstisch hinter sich. Zwei Werbeoffiziere forderten sie auf, umzukehren. »Mein Großherzog zahlt besser als der Ketzerfürst!«, rief einer hinter ihnen her. »Vor allem zahlt Letzterer nicht mehr lange!«, rief ein anderer. »Höchste Zeit, auf die richtige Seite zu wechseln! Auf die gottgefällige Seite,

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