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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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braunen Wollkasack aus den Decken, um ihn zu begutachten. Der hatte einem Kurpfälzer gehört, der neben Hannes auf dem Wehrgang von einer Musketenkugel getroffen worden war.
    »Name?«, fragte der am Mustertisch.
    »Stein, Johannes.«
    Der Werbeoffizier schrieb den Namen in sein Buch, erkundigte sich auch nach Herkunft und Geburt, notierte schließlich jede einzelne Waffe, die Hannes mit sich führte, notierte ihren Zustand, notierte seinen Rappen und was er als Kleidung mit ins Regiment brachte.
    »Einem Dragonercorporal zahlt man bei uns einen Monatssold von elf Gulden«, erklärte der Werbeoffizier schließlich. Hannes war einverstanden. Am Ende drehte der Offizier sein Buch zu Hannes um, deutete auf den Eintrag und sagte: »Mal deine Kreuze hierhin.« Statt Kreuze schrieb Hannes seinen vollen Namen unter den Eintrag. »Schreiben kann er also auch, der Herr Corporal«, sagte der andere und nickte anerkennend. Der Schweiger im weißen Kragen zog nur die linke Braue hoch.
    »In zwei Stunden ungefähr kommt der Obrist von Mortaigne vom Schloss zurück«, erklärte der Werbeoffizier, nachdem er den Letzten in seine Musterrolle eingetragen hatte. »Vor seinen undeuren Ohren verlese ich dann den Artikelbrief. Danach gibt’s Laufgeld, und danach gehört ihr dem Regiment.« Artikelbrief nannte man die Regimentsvorschriften, Laufgeld den Antrittssold.
    So geschah es, und bei Sonnenuntergang war Hannes Dragoner und Corporal im kaiserlich-herzoglichen Heer des Generals Graf von Tilly.
    Vier Tage lang sicherten die bayrischen Kompanien die Festung Dilsberg, besserten Mauern und Wehrgänge aus, reparierten zurückgelassene Geschütze und Musketen. Danach machte ihr größerer Teil sich auf den Rückweg nach Heidelberg. Eine Kompanie blieb als Festungsbesatzung in Dilsberg zurück.
    Unter lauter Bayern, Österreichern, Kroaten und Ungarn ritt Hannes das Neckartal hinunter. Gegen Mannheim sollte es als Nächstes gehen, hatte der Rittmeister seiner Dragonerkompanie erklärt. Tillys Vorhut hatte dort schon das Lager abgestochen und arbeitete bereits an den Laufgräben und Schanzen.
    Hannes fühlte sich nicht wohl in seiner Haut und unter der neuen Fahne. Manchmal, wenn sie an Wegabzweigungen vorbeiritten, die nach Norden in den Odenwald hinaufführten, drängte es ihn, seinen Rappen aus der Kompanie zu lenken und den Weg zum Walddorf zu nehmen. Erst die Lebenden, mahnte er sich selbst, und danach die Toten.
    Von Zeit zu Zeit drehte er sich um und sah zurück, und einmal erkannte er unter den Standarten, die hinter ihm aus den Reiterscharen aufragten, auch die blaue mit dem goldenen Hirschgeweih. Verfluchte Fahne! Der Hass loderte ihm aus den Eingeweiden bis in die Kehle herauf. Verflucht alle, die unter ihr reiten! Hannes merkte kaum, wie seine Rechte zum Degen fuhr, wie sie das Heft umklammerte. Er presste die Lippen zusammen, er biss auf die Zähne. Erst Susanna suchen, dann das Mörderpack erschlagen …
    *
    Ein junger Bursche öffnete die Tür, vielleicht achtzehn Jahre alt. Krank sah er aus, und hungrig. Zuerst äugte er Hannes misstrauisch ins Gesicht, dann auf den Musketenlauf hinter seiner Schulter und schließlich auf seinen Hut, wo Hannes das Regimentsband trug, an dem man im Schlachtgetümmel Freund und Feind unterschied. Seines war rot.
    Der junge Bursche wurde noch bleicher, schluckte und wich zurück. »Hier ist keiner mehr …, keiner von euch«, stammelte er. »Hier gibt’s auch keinen Wein mehr, kein Weißzeug, kein Silber, nicht einen Heller …« Seine Stimme überschlug sich beinahe. »Wir sind doch gestern erst wieder eingezogen …«
    Seit zwei Tagen kehrten die Heidelberger wieder in ihre verwüsteten Häuser zurück, seit die letzten Soldaten der bayrischen Armee ihre Quartiere in der Stadt aufgegeben hatten, um gegen Mannheim zu ziehen. Hannes wusste das. Seine Kompanie sollte am nächsten Tag zu Tillys Belagerungsheer am Rhein stoßen.
    »Keine Angst«, sagte Hannes. »Ich tue keinem was und will dir nichts wegnehmen. Du bist doch der Vetter von der Susanna Almut, oder?« Der andere nickte. »Wie heißt du?«
    »Martin Weber.«
    »Hannes Stein. Erinnerst du dich? Wir sind uns schon auf dem Marktplatz begegnet, am Stand meines Vaters. Da war noch Frieden.« Die Gesichtszüge des Jüngeren glätteten sich, er nickte. »Hast sicher gehört, dass die Susanna und ich …« Hannes machte eine linkische Geste. »Ist sie hier?«
    Der Bursche sah ihn lange an und schluckte schon wieder. Hannes schlug das Herz

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