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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Angst zu ersticken übermächtig wurde.
    »Die Bayrischen sind nur ausgeritten, um Mannheim zu erobern.« Die Mutter wischte sich die Tränen ab. »Danach werden sie zurückkehren und weiter wüten. Bestien!« Flehend sah sie Susanna ins Gesicht. »Du musst wieder gehen, ihre Verwundeten sind noch im Ort. Morgen früh sind die wieder nüchtern, und dann Gnade dir Gott, wenn sie dich hier finden.«
    Susanna fröstelte. »Ich muss Vaters Grab sehen«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Und ich muss wissen …« Die Stimme versagte ihr.
    »Ja? So red halt, Tochter!« Knochig und spitz sah das Gesicht der Mutter aus. Weiße Strähnen schimmerten in ihrem Haar. Inihrem Blick lag etwas Starres, in ihrer Stimme etwas hoch Erregtes. »Ich bitte dich, red!« Plötzlich fiel ihr Blick auf das dunkelblaue Kleid zwischen den Knopfleisten von Susannas Mantel. »Gütiger Himmel – das Kleid der Frau Magister! Ja, träum’ ich denn?« Sie schlug die Hände gegen die Wangen und machte große Augen.
    »War der Hannes hier?« Endlich wollte es Susanna über die Lippen.
    Für einen Moment schienen nun auch Miene und Gesten der Mutter zu erstarren. Schließlich schüttelte sie den Kopf. Dann deutete sie auf die Gaukler. »Wer sind die da?« Sie hob die Öllampe, wich erschrocken ins Haus zurück. »Doch keine Krabaten?!«
    »Gaukler und Zahnbrecher sind das. Du hast sie schon in Heidelberg gesehen, vor zwei Jahren.« Ein ganzes Leben war das her. Sie schluckte. »Diese Männer haben mir sehr geholfen.«
    Ganz unbegründet war der Schrecken der Mutter nicht: Stephan trug einen roten, mit Bärenpelz gefütterten Offiziersmantel, den ihm der kroatische Reiterhauptmann zum Abschied geschenkt hatte; das prächtig betresste Stück hatte zuvor dessen gefallenem Leutnant gehört. Und Rübelrap, schon durch seine schiere Masse und die zerlumpten Kleider unter seinem schwarzen Wintermantel nicht gerade vertrauenerweckend, stemmte eine zerschlissene kroatische Standarte neben sich in den Boden. David hielt sich im Hintergrund, doch der Degen unter seiner kurzen Bauernjacke war nicht zu übersehen.
    »Wir hielten es für gut, kroatischen Reitern gleichzusehen.« Stephan verneigte sich. »In einem Ort voller bayrischer Landsknechte sollte das nicht schaden, dachten wir.«
    Sieben Tage hatten sie in einer alten Burg über Dossenheim gehaust und das Ende der Plünderungen unten an Bergstraße und Neckar abgewartet. Die Gauklerin, die von den anderen »Landgräfin« genannt wurde, war ganz dagegen gewesen, Susanna in ihr besetztes Heimatdorf gehen zu lassen. »Zu gefährlich«, hatte siegesagt, »außerdem kann sie kaum laufen vor Schwäche.« Doch Susanna bestand darauf zu gehen. Der junge Gaukler hatte daraufhin eines der Pferde gesattelt und der große Gaukler Susanna hinaufgesetzt. Die Zwergin und die Landgräfin waren bei den anderen Tieren und beim Wagen zurückgeblieben.
    Weil die Mutter nur stand und starrte, winkte Susanna die Gaukler in ihr Elternhaus. Hinter David schloss die Mutter die Haustür. In der Werkstatt hockte die Tante am Zuschneidetisch und arbeitete im Schein von Kienspan und Lampe. Als würde sie einen Traum durchschreiten, so kam Susanna sich vor. Vor ihrem Fensterplatz blieb sie stehen – der Tisch, an dem sie früher gestickt hatte, fehlte.
    Sie ging zum Zuschneidetisch, beugte sich zur Tante hinunter und küsste ihre kalte Wange. Die Tante lächelte scheu, fuhr ihr mit dem Handrücken über die Schläfe; ihr Blick war der einer Fiebernden. Gleich richtete sie ihn wieder auf das graue Leinenhemd, an dem sie arbeitete. Susanna erkannte das Hemd, das ihr Vater gern an Sonntagen zum Kirchgang getragen hatte. Der linke Ärmel fehlte, aus dem Rest des rechten zog und zupfte die Tante das Garn. Auf dem Tisch lagen zwischen Knöpfen, Haken und Ösen viele mit Garn umwickelte Hölzchen, graue, rote, blaue, weiße. Neben dem Tisch stapelten sich Hosen, Jacken und Hemden des Vaters und des Großvaters und alte Kleider von Anna.
    Tief erschrocken wandte Susanna sich ab. Was ging hier vor? »Wo sind die Großeltern?«, fragte sie ihre Mutter.
    »Dem Großvater geht’s gut.« Die Mutter nahm eine Öllampe und winkte sie hinter sich her zur Schlafkammer der Großeltern; ihr starres Lächeln beunruhigte Susanna. »Den Meister Merkel plagt kein Kummer mehr, der ist, wo dein Vater ist. Denen geht’s besser als uns, Gott sei gepriesen!« Die Mutter öffnete die Kammertür und leuchtete hinein. »Susanna ist zurück, Frau Mutter, sie wird

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