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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Mutter verstummte, und zum Grab hin sagte der Gaukler lauter: »Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt.«
    Die Gestalt der Mutter straffte sich, Unruhe und Erregung kehrten in ihre Züge zurück. Nun drängte sie zum Aufbruch und beschwor Susanna erneut, unter keinen Umständen länger in Handschuhsheim zu bleiben. Noch einmal ließ Susanna sich von ihr umarmen. Der Körper der Mutter fühlte sich seltsam fremd an.
    Als Rübelrap Susanna später aufs Pferd hob und sie bei seiner Berührung von Ekel gewürgt wurde, hörte sie Stephan den jungen Gaukler fragen: »Was beim Heiligen Mustafa war das denn für ein Spruch vorhin am Grab?«
    »Den habe ich in einem Buch gefunden, das Greenley, der englische Komödiant, mir zum Abschied geschenkt hat.«
    »Und er hat dir so sehr gefallen, dass du ihn dir gleich einprägen musstest?«
    »Oh ja.« David nickte. »So sehr, dass ich ihn mir gar nicht erst einprägen musste.«
    »Wann werde ich je schlau aus dir werden?« Stephan seufzte. »Was soll er denn bedeuten, dein Spruch?«
    »Wie Traumbilder plötzlich im Schlaf aufleuchten und wieder verblassen, so flüchtig leuchtet unser Leben auf, du und ich, und ebenso schnell ist alles vorbei, und bald erinnert sich keiner an uns.«
    Stephan schüttelte den Kopf. »Warum lernst du Sprüche auswendig, die vernünftigen Leuten Angst einjagen?«
    *
    Zwei Tage danach rollte ihr Wagen unterhalb eines Weinbergs über den Fahrweg zum Walddorf. Bis auf ein paar Brandruinen stand nur noch eine Scheune. Die Sonne schien und die Herbstluft strich David mild übers Gesicht. Er entdeckte etliche schwärzliche Trümmerhalden, in denen allerhand Grünzeug wucherte: Brennnesseln, geschossene Kohlstrünke, verblühter Schnittlauch, Beerensträucher. Auch Blumen sah man hier und dort: Mohn, Rotklee, Astern und welke Sonnenblumen. Sein Blick stahl sich zu Susanna, die zwischen ihm und Stephan auf dem Kutschbock hockte: Eine Gipsstatue hätte nicht bleicher und steifer dasitzen können.
    »Seht doch die Weinstöcke!«, rief hinter ihnen die Landgräfin. »Seht doch, wie die Reben sich unter den Trauben biegen! Und da, auf der anderen Bachseite die Bäume – Äpfel ohne Ende! Leere Er ein paar Kisten und Körbe aus, Rübelrap! Beeile Er sich!«
    David kam das würdelos vor angesichts des verwüsteten Dorfes und der entsetzten Susanna. Er blickte sich um, bedeutete der Landgräfin mit einem Blick, sich zurückzuhalten. Doch Marianne begriff nichts und scheuchte den Bauchredner vom Wagen. Die Zwergin sprang hinten von der Ladefläche in seine Arme.
    Susanna hatte Stephan angefleht, den Umweg über dieses verbrannte Stück Erde zu nehmen. Hätte er nein gesagt, wäre sie allein gelaufen, daran bestand für David kein Zweifel. Er wusste nicht, was dieser Ort der jungen Frau bedeutete; sie schwieg noch immer die meiste Zeit. Er wusste nur, dass ihr Verlobter hier groß geworden war und dass ihr Vater dann und wann mit ihr hier heraufgefahren war.
    Vor der Scheune zog David an den Zügeln, und die Pferde hielten an. Die Gaukler stiegen vom Kutschbock, Susanna zuletzt. Zuerst stand sie nur und blickte hinüber zu einer Brandruine knapp vierzig Schritte entfernt. Ein gemauerter Schornstein ragte da aus einigen kreuz und quer stehenden schwarzen Balken. Ein Stück entfernt plätscherte ein Bach, und dahinter, auf einer Obstwiese, streckte Rübelrap sich nach Ästen voller Äpfel aus.
    Langsam ging die junge Frau schließlich auf das niedergebrannte Bauernhaus zu. David folgte ihr.
    Bald stand sie wieder still, diesmal zwischen Bachbrücke und Brandruine. Weil er sich hinter ihr hielt, konnte er ihr Gesicht nicht sehen, sah nur, wie sie die Fäuste ballte, wie sie die Fingernägel in die Daumenballen drückte und wie ihre Kiefermuskeln arbeiteten. Manchmal bewegte sie die Lippen, und er hörte sie murmeln.
    Irgendwann rief jemand ihren Namen, eine fremde Frauenstimme. Sie fuhren beide herum. Eine Frau stand bei der hinteren Scheunenecke. »Susanna?« Sie rief den Namen wie eine, die ihren Augen nicht traute. Susanna wankte zur ihr hin. David hinterher.
    Die Frau an der Scheune umarmte sie laut heulend. Sie sah zum Erbarmen aus, schlimmer als eine Vogelscheuche: schmutziges Gesicht, verfilztes Haar, lange Fingernägel, zerkratzte Hände und Arme und nichts als dreckige Lumpen am Leib. Auf ihrem Rücken hing eine alte Muskete.
    Ihren wenigen Worten entnahm David, dass sie eine Nachbarin jenes Verlobten und

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