Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
nicht einmal drei Wochen in der Stadt angekommen war; Maria hatte ihm das geschrieben. Noch redend beugte er sich über die ausgestreckte, fleischige Hand, vermied es sorgfältig, auch nur einen der drei Ringe mit den Lippen zu berühren, und hielt die Finger auch nur einen flüchtigen Moment lang fest.
Die große, kräftige Hand roch nach dem schweren Parfüm der jungen Frau, die ihr eben noch ihren weichen Körper preisgegeben hatte – hier in diesem Sessel und vermutlich auf den stämmigen Schenkeln des Grafen.
Beim Zurücktreten stolperte Maximilian über die Stiefel seines Vaters, und für einen Moment fürchtete er zu stürzen. »Ich hoffe, es geht Euch wohl, Herr Graf?« Mit ausgebreiteten Armen suchte er seine Balance.
Sein Vater beäugte ihn amüsiert und aus schmalen Augen. »Unkraut verdirbt nicht. Prächtiges Wetter immerhin haben sie hier an Neckar und Rhein. Und der Wein ist auch nicht zu verachten, weiß der Himmel! Meine Kompanie liegt übrigens oben in der alten Burg. Bald dreihundert Mann haben mir auf die Fahne geschworen, das muss Er sich einmal vorstellen …!«
Die Seidenstrümpfe des Grafen waren löchrig und an den Zehenspitzen braun von den Stiefeln. Der Gestank der gräflichen Füße verdrängte bereits das Parfüm der Hure.
Auch jetzt, während er seine Kompanie lobte und die Beschwernisse der langen Reise an den Neckar beklagte, verschlossen wie meist seine dicken Lider dem Grafen die Augen bis auf schmale Schlitze, sodass man meinte, er würde jeden Moment einschlafen. Ein täuschender Eindruck, wie Maximilian nur zu gut wusste.
Kurze graue Locken bedeckten den quadratischen Schädel seines Vaters noch ganz und gar, kurzgehalten auch der Graubart umdas kräftige Kinn, nur der Schnurrbart wucherte ähnlich unmäßig, wie Maximilian es von Walrossdarstellungen kannte. Er trug ein weißes, halb aufgeknöpftes Leinenhemd und eine schwarze Samthose, mit rotem Band über den Knien gebunden.
»Mir scheint es ein wenig gewagt, in Euerm Alter noch in den Krieg zu ziehen, Herr Graf«, beeilte Maximilian sich zu sagen, als sein Vater seinen monotonen Wortschwall unterbrach, um nach dem Weinbecher zu greifen.
»In meinem Alter?« Der Graf brauste auf, hob sogar die Lider ein wenig. »Was redet Er denn da für einen Unsinn? Sechsundfünfzig Jahre alt sind wir erst, und nun sage Er mir, wie alt der General Tilly ist! Zweiundsechzig, na also! Und hat er am Weißen Berg gesiegt oder nicht? Na also! Und hat er Heidelberg genommen oder nicht?«
Man sah dem Herrn Grafen den langjährigen und unmäßigen Weingenuss an: die pockennarbigen Wangen und die Augenpartie waren aufgequollen, die kaum sichtbaren Augen wässrig, die großporige Nase irgendwie geschwollen und rot. In jedem der großen Ohren hingen Goldringe, je einer mit Diamanten besetzt, und ein goldenes Armband schmückte das rechte Handgelenk. Eine goldene Kette mit einem goldenen, von Blumengravur überzogenen Medaillon hing um seinen stämmigen, faltigen Hals.
Auf dem Tischchen neben seinem Sessel standen ein Weinkrug und ein zweiter Becher, auf dem Boden daneben lagen Manschetten, Halskröse, Bandelier und Wams. Und ein Kuvert. Maximilian erkannte das Siegel der Prinzessin von Bernstadt.
»Ach – dass ich es nicht vergesse!« Der Graf sah Maximilians Blick, richtete sich auf und langte nach dem Kuvert. »Ein Brief von Seiner schönen Cousine.« Er reichte ihm das Kuvert. »Abgereist. Nach London. Schade.”
Der Rittmeister biss die Zähne zusammen. Nur keine Enttäuschung zeigen. »Ja, schade.« Er steckte den Brief in die Tasche seines Lederkollers.
»Wieso reist die Prinzessin denn nach London, in die Hauptstadt des Feindes?« Der Herr Graf grunzte unwillig. »Hat sie denn einen Geliebten daselbst? Weiß Er etwas?«
»Nein, Herr Graf. Wir schreiben uns selten und sehen uns so gut wie nie.«
»Man munkelt dergleichen, und warum sonst sollte sie in die Hauptstadt dieses bigotten Narren Jakob von England reisen? Und wir prügeln uns derweil mit seinen Soldaten!« Er schnitt eine missmutige Miene, schüttelte den schweren Schädel und leerte seinen Becher. Dann blieb sein Blick an Maximilians Hut hängen, wanderte hinunter zu seinem Spitzenkragen und von dort über seinen Hirschlederkoller, seine braunen Samthosen bis zu seinen Hirschlederstiefeln. »Er sieht gut aus, der Rittmeister, alle Achtung!« Er nickte anerkennend. »Und die Engländer in Frankenthal halten noch immer dagegen, wie man hört?«
»Es sind eher die Bürger,
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