Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
deckte das Mädchen zu. »Warte hier auf mich. Ich bin gleich zurück.«
Er bückte sich aus dem Zelt, ging zu den anderen, suchte die Betrunkenen nach dem Gesicht des Cornets ab. Nichts. Auch die beiden, die Mathis mit zu dem Mönch gewunken hatte, sah er nirgends.
»Warum so ernst, Herr Rittmeister?« Von Bernstadt schlug ihm gönnerhaft auf die Schulter. »Sieht so ein Sieger aus?« Er winkte den Huren, damit sie Maximilian einen Weinkelch füllten.
»Ich suche meinen Cornet.« Maximilian ließ seinen Obristen stehen, nahm den Weg, den er Mathis zuletzt hatte gehen sehen, suchte nach ihm zwischen den erbeuteten Trosswagen. Niemanden fand er dort, auch den Corporal und den Gefreiten nicht. Niemand antwortete, als er ihre Namen rief.
Gestank trieb ihn wieder zurück zum Feuer, Gestank nach Unrat und Blut. Er ließ sich einen vollen Weinbecher in die Hand drücken, stieß nach rechts und links an, trank und schmeckte kaum etwas. Wohin um alles in der Welt mochte der Freiherr von Torgau gegangen sein?
Zurück im Zelt gab er dem Mädchen zu trinken, ließ sich von ihr küssen und Stiefel und Koller ausziehen. Doch seine Gedanken wollten nicht verweilen bei Küssen und Frauenfleisch, kreisten immer nur um Mathis. »Schlaf ein wenig.« Er strich ihr fahrig übers Haar, zog sich wieder an. »Ich komme später.«
Am Feuer und beim Ochsenbraten dauerte es seine Zeit, bis er den Obristen mit seinen Sorgen anstecken konnte. Nur eine Handvoll Männer fanden sich, die noch stehen und einigermaßen gerade laufen konnten. Man suchte das Lager nach von Torgauund den beiden anderen Reitern der Herzenburger Kompanie ab. Nichts. Man suchte ein zweites und drittes Mal zwischen den erbeuteten Wagen. Und dann, kurz vor dem ersten Morgengrauen, fand man sie.
Ihre Leichen lagen unter einem der erbeuteten Planwagen. Allerhand Gerümpel bedeckte sie, Fliegen summten über ihnen, Gestank von altem Blut und Unrat umwehte sie. Von Bernstadt übergab sich geräuschvoll. Maximilian hielt sich die Nase zu und bückte sich zu den Stiefelabsätzen seines toten Cornets. Dort lag ein Stück blutfleckiges Papier.
*
Ein paar Stunden zuvor zerrte Kristina einen Mann in Hemd und Kniehosen in ihr Zelt. Ein braunes Stoffbündel klemmte unter seinem Arm. »Und jetzt?« Wütend blitzte sie ihn an. »Geht es dir besser jetzt?« Hastig verschloss sie ihr Zelt.
Hannes wischte Dolch- und Degenklinge an der Mönchskutte ab, steckte den blutigen Stoff in einen Sack. Er hatte die drei Toten mit Raubgut bedeckt und einen Wagen über sie geschoben.
»Empfindest du Genugtuung?«, zischte Kristina. »Antworte mir!«
Stumm schnürte Hannes sein Bündel auf, holte Koller, Kasack und Sturmhaube heraus. Reiterpistole und Bandelier lagen bereit; nur die Muskete hatte er samt Pulver und Blei bei Monica und der Witwe in der alten Abtei Neuburg gelassen. Schweigend zog er sich an.
»Machst mein Zelt zur Mördergrube und mich zur Mitwisserin!« Kristina stieß ihm die Faust gegen die Brust. Er blieb stumm, dabei traf jedes ihrer Worte sein Herz: Weder fühlte er sich besser, noch empfand er Genugtuung. Und wirklich: Wie ein Mörder kam er sich vor. Er stieg in die Stiefel und schlüpfte in den Lederkoller.
»Wenn sie dich in meinem Zelt finden oder auch nur diese blutbefleckte Kutte – was glaubst du denn, was sie dann mit mir tun werden? Mein Kopf wird neben deinem in den sumpfigen Boden dieser Landschaft fallen, und mein Capitän wird nicht einmal mit der Wimper zucken!«
Irgendwo im nächtlichen Lager soff er, ihr Capitän, feierte den Sieg über den Tollen Halberstädter. Oder war er tot auf dem Schlachtfeld geblieben? Kristina wusste es nicht, wollte es wohl auch gar nicht wissen. Hannes legte das Bandelier mit dem Degen an. »So schnell wird man sie nicht finden, keine Sorge.« Zum Schluss stülpte er die burgundische Sturmhaube über den Kahlkopf. »Und wie sollten lauter Besoffene nach einem Mönch suchen, der schon keiner mehr ist?«
»Etwas in mir wusste ja, dass du zurückkommen wirst, doch wirklich glauben konnte ich’s nicht«, sagte Kristina. »Dass dein Hass so groß ist – nein, das konnte ich nicht glauben. Obwohl ich ihn manchmal auch in mir toben fühle, den Hass, und den brennenden Durst nach Rache.«
»Du bist ja nicht aus Versehen meine Verbündete geworden.«
»Verbündete …?« Sie stürzte an seine Brust und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. »Hüte dich, Hannes Stein! Hüte dich vor dir selbst!«
»Was soll ich denn
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