Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
ein, sein Pferdejunge. Der deutete ins Halbdunkel zwischen die erbeuteten Wagen. Dort stand einer; ein Mönch, wie es aussah. Der winkte mit einem Stück Papier. Vielleicht ein Brief.
Maximilian sah seinen Cornet nicken, sah ihn den Feldwebel Laußnitz herbeiwinken und ihm das Tranchiermesser und die große Fleischgabel übergeben. Dann nickte er den trinkenden Offizieren und Huren zu und machte sich auf den Weg zu der Mönchsgestalt im Halbdunkeln. Beide verschwanden zwischen Wagen und Geschützen.
Für einen Augenblick beunruhigte es den Rittmeister, was er da beobachtete. Ein Mönch mit einer Botschaft für einen protestantischen Offizier? Eigenartig. Wenigstens war von Torgau so vernünftig, nicht allein zu gehen. Ein Corporal und ein Gemeiner folgten ihm auf seinen Wink hin.
Der Rittmeister zog das Mädchen an sich, griff nach ihrem Busen und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Der öffnete sich ihm willig.
*
Das plötzliche Auftauchen des Briefboten dämpfte dem Cornet die heitere Stimmung. Was hatte er denn mit einem Mönch zu schaffen!
»Ein Brief von meinem Vater?« Von Torgau runzelte die Stirnund betrachtete das Kuvert im Schein der Fackel, die ihm der Gefreite von rechts über die Schulter hielt. »Das ist doch gar nicht sein Siegel!«
Der Mönch zuckte mit den Schultern. »Mir wurde gesagt: Nimm den Brief, reite zu Tillys Armee, suche den Freiherrn von Torgau und übergib ihm diese Botschaft seines Herrn Vater.«
Erst zwischen den erbeuteten Trosswagen hatte der Mönch ihm den Brief gereicht; abseits von den Kameraden, als enthielte er eine geheime Botschaft. Drei Reihen Wagen und zerfetzte Planen verdeckten den Blick auf Ochsenbraten, Obristenzelt und das Feuer. Von dort, kaum fünfzig Schritte entfernt, tönten Stimmen, Gelächter und derbe Sprüche feiernder Offiziere herüber.
»Also keine Rede von meinem Vater.« Der Cornet brach das Siegel auf; der Corporal und der Gefreite neben ihm taten, als suchten sie ein bestimmtes Sternbild im Nachthimmel. Beide schwankten beträchtlich; der Corporal stärker als der Gefreite. »Und von wem wurde dir das gesagt?« Mathis von Torgau hakte nach. »Wer hat dir den Botenlohn gezahlt?«
»Ein dürrer Mann in schwarzem Gewand.« Der Mönch sprach leise und mit heiserer Stimme. »Ein mächtiger Fürst.«
Von Torgau beäugte ihn misstrauisch. War der Kerl krank? Fackelschein tanzte auf seinem kantigen Kinn, blonde Bartstoppeln sprossen um einen harten, schmallippigen Mund. Die Augen des kräftigen, hochgewachsenen Kuttenträgers lagen im Schatten seiner Kapuzenränder.
»Was redest du bloß, Mönchlein?« Von Torgau entfaltete den Brief. »Woher willst du denn wissen, dass es ein mächtiger Fürst war?« Er hielt den Briefbogen in den Fackelschein und runzelte die Stirn – die Handschrift seines Vaters sah anders aus.
»Er trug eine Sense bei sich«, sagte der Mönch. Der Gefreite rechts hinter von Torgau kicherte blöde. Der Corporal links hielt sich am Wagenverschlag fest, wollte wohl lachen, rülpste dann aber nur.
»Eine Sense?« Der Freiherr hörte schon nicht mehr richtig zu; er überflog die kurzen Zeilen. »Wie viel Wein hast denn du gesoffen …?« Er bewegte murmelnd die Lippen. Es war kein Brief, den er da zu lesen bekam, es war eine Art Liste. »Versteh ich nicht …«
Eine Nachtbrise wehte Bratenduft und die laute Stimme des Feldwebels vom Feierplatz herüber. Laußnitz erzählte einen Witz. In einem der Zelte rechts der erbeuteten Wagen fluchte der alte Graf von Herzenburg, und ein Mädchen stieß einen spitzen Schrei aus.
»Das sind ja lauter Namen!« Mathis von Torgau hob den Blick und musterte den Mönch aus schmalen Augen. »Nichts als Namen! Was soll das?« Mit den Fingern schlug er auf den Brief, las noch einmal, las laut: »›Hans Stein, Monica Stein, Friedrich Stein, Moritz Stein …‹, und so geht es weiter, eine ganze Liste – potzhunderttausend, was soll ich mit diesen Namen anfangen?«
Plötzlich gefror ihm etwas in Kehle und Brust. Monica Stein – hatte so nicht die süße Hure vom seligen Schneeberger geheißen? Beim Ochsenbraten hörte man jetzt wieherndes Gelächter. Laußnitz’ Witz fand wohl den Gefallen der Herren dort.
»Lauter Namen, ja.« Der Mönch kam auf ihn zu. »Ihr solltet sie wenigstens ein Mal gelesen haben, diese Namen.« So schnell zückte er plötzlich Messer und Degen, dass es unmöglich zu sagen war, wo in seiner Kutte er sie verborgen hatte.
Hinter den Planwagen, bei Obristenzelt und
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