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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Öllampe. Mattes Licht sickerte nun durch die Dunkelheit und erhellte sie ein wenig.
    »Die kenn ich, beide – der Gaukler ist ein gewaltiges Schlitzohr vor dem Herrn, und das Mädchen war halbtot.« Misstrauisch spähte der kleine, etwas rundliche Mann von Kristina zu Hannes und wieder zu Kristina. »Ihr Vater ein Cornet? Im Leben nicht! Der war ein Schneidermeister, glaub ich.«
    »In Handschuhsheim, genau!« Hannes war ganz aufgeregt, beugte sich zu ihm. »Wann hast du sie zuletzt gesehen?«
    Der kleine Mann hatte ein weiches rötliches Gesicht, das trotz seines hellen Bartgestrüpps ein wenig wie das Gesicht eines Knaben wirkte. Er zögerte, und wieder huschte sein Blick zwischen Kristina und Hannes hin und her.
    Kristina nickte ihm zu. »Erzähl doch, Wachtmeister Hacker.« Sie bettelte mit den Augen.
    »Am Morgen, bevor van der Merven das Schloss übergab, hab ich sie zuletzt gesehen«, gab der Mann endlich zu. »Die Gaukler hüllten die verletzte Frau in ein frisches Bärenfell, legten sie auf ihren Wagen und ließen sich von Krabaten aus der Stadt eskortieren.«
    »Wohin wollten sie?«, drängte Hannes.
    »Weiß ich’s?« Der namens Franz zuckte mit den Schultern. »Doch wohin werden Gaukler schon ziehen? Auf die Märkte der Reichsstädte, nach Köln, Frankfurt, Nürnberg, zu irgendwelchen Messen, weiß der Henker! Dorthin eben, wo es ein paar Kreuzer zu verdienen gibt.«
    »Haben sie nie über ihr nächstes Ziel gesprochen?«
    »Ständig.« Der Kleine lachte meckernd. »Überleben und die Bäuche voll kriegen irgendwie, das war ihr nächstes Ziel. Mussten ja auch eine Menge Viehzeug durchfüttern.« Er drehte die Augäpfel nach oben. »Warte. Dieser junge Gaukler, David hieß er, hat einen englischen Komödianten in Heidelberg Theater spielensehen. Den wollte er unbedingt wiedertreffen. Das hat er mal in einem Streit mit der Anführerin der Gaukler gesagt. Geschrien hat er’s sogar.«
    »Wo wollte er ihn treffen?« Hannes saugte jedes Wort auf.
    »Was weiß denn ich? Von Amsterdam sprach er, von Köln, Frankfurt, Nürnberg – mehr habe ich nicht gehört. Sie haben gestritten, wie gesagt, und nicht nur einmal, und leise sowieso nicht. ›Geh doch zu deinem Engländer!‹, hat die oberste Gauklerin gekeift.«
    Hannes packte den Mann bei den Schultern, sah ihm in die Augen. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimme versagte – die Anspannung der vergangenen Stunden, und jetzt auch noch Nachricht von Susanna! Er riss den kleinen Wachtmeister an seine Brust, hielt ihn fest, schluchzte. Dann sprang er auf und stürzte in die Nacht hinaus.
    *
    Das Mädchen hielt ihn umschlugen. Vom Morgengrauen bis nach Sonnenaufgang. Manchmal streichelte sie ihm über die Wange, manchmal murmelte sie in sein Haar. Das tat gut, das klang tröstlich, auch wenn er nichts verstand; vielleicht betete sie ja für ihn.
    Der Rittmeister tat kein Auge zu. Dass es eine Frau war, die beim ihm lag, schien er vergessen zu haben Manchmal weinte er in ihr Kleid. Leise, damit sie’s nicht merkte. Auf ihrem Leib rasen? Kein Gedanke mehr daran! Zu viel Wein, zu viel Schrecken, zu viel Angst. Immer sah er die Toten vor sich: seinen Corporal, seinen Gefreiten, seinen Cornet. VonTorgau hatte neben seinen Eingeweiden im Dreck gelegen und aus starren Glubschaugen zum Mond hinauf gestiert.
    Das wollte Maximilian nicht mehr aus dem Sinn. Im Dreck gelegen und zum Mond hinauf gestiert. Und dann der Brief neben Mathis’ Leiche. Nichts als Namen hatte er darauf gefunden – Hans, Martha, Monica, Moritz, Judith, Friedrich, Isolde. Und alle hießen sie Stein. Hieß nicht auch Johann Schneebergers Hure so? Gütiger Herrgott im Himmel! Hatte Johann Schneebergers Hure nicht Monica Stein geheißen?

12
    U nd heute, ihrr Leute, eine Überrraschung fürr euch!« Stephan breitete die Arme aus, schnitt eine traurige Miene und machte eine Geste des Bedauerns. »Jean Potage ist unpässlich!« Die Menschen vor der Bühne hingen an Stephans Lippen. Susanna, die am Eingang neben dem Fass mit der Geldschatulle stand, sah lauter gespannte Gesichter. »Krank, der Ärmste!« Susanna hörte erste Ausrufe der Enttäuschung. »Zu viel gesoffen gestern, zu viel gefressen!« Einige sah Susanna ärgerlich abwinken, zwei verlangten ihr Eintrittsgeld zurück. Die meisten jedoch merkten schon an Stephans Haltung und Stimme, dass er nicht wirklich ernst meinte, was er da sagte. Jetzt trat der Gaukler in dem farbenprächtigen italienischen Kostüm an den seitlichen Bühnenrand.

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