Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
der Pickelhering. »Obschon ein unerschrockener Held und sogar im Kampf mit dem Teufel gestählt, vertrage ich doch die Luft auf den Schlachtfeldern nur ganz schlecht – zu viel Pulver, zu viele Kugeln. Und dann der Kanonendonner den lieben langen Tag.« David hielt sich die Ohren zu und verzog das Gesicht wie unter Zahnschmerzen. Die Zuschauer aber hielten sich die Bäuche vor Lachen und schlugen sich auf die Schenkel. »Was tragt Ihr denn da für einen Stinktopf auf demSchädel, Herr Feldwebel?«, wollte der bunte Geselle von Bela wissen, »und was soll der Besen auf Eurem Rücken und der Bratspieß an Eurem Bandelier?«
Einen im Kampf gestählten Helden, der einen Nachttopf nicht von einem Helm unterscheiden konnte und auch nicht Muskete von Besen und Degen von Bratspieß, fanden die Rothenburger noch ziemlich lustig, doch danach hörte der Spaß abrupt auf: Der pelzige Feldwebel hatte genug von seinem Auftritt – Bela ließ sich einfach auf die Vorderläufe fallen, trottete zum Vorhang und verschwand dahinter. Dabei hatte das lustige Gespräch mit dem Bauchredner, das David sich ausgedacht hatte, gerade erst angefangen.
Die Zuschauer riefen nach ihm, forderten weitere Späße, und Susanna sah David hinter den Vorhang huschen, um den Bären zurückzuholen. Vergeblich. Stephan riss ein paar Witze, und David verfiel schließlich auf den Gedanken, Sprüche aus dem Buch aufzusagen, das der englische Komödiant Greenley ihm geschenkt hatte. »Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!«, rief er vom Bühnenrand in die Menge hinein und machte eine dramatische Miene dazu. »Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden, oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden …!« Worauf auch immer das hinauslaufen sollte, die Rothenburger gaben die Antwort auf ihre Weise: Sie pfiffen und buhten, dass Davids Vortrag rettungslos unterging und Stephan schließlich so tat, als würde er sich mit ihnen verbünden, und den Pickelhering von der Bühne jagte.
Danach lästerte der Directeur de la Compagnie eine Weile über Engländer im Allgemeinen und ihren bigotten König im Besonderen, machte Witze über dies und das und gab schließlich ein paar schlüpfrige Zoten zum Besten, was der Magistrat von Rothenburg eigentlich verboten hatte. Die Leute aber hörten es gern, spitzten die Ohren und beruhigten sich nach und nach.
Die lustige Stimmung aber war dahin und Susannas Enttäuschung groß: So hatte sie sich die erste öffentliche Erscheinung ihres Kostüms nicht vorgestellt. Mit Messerwerfen, Singen und Tanzen versuchten die Gaukler zu retten, was sich noch retten ließ.
In der Abenddämmerung fand Susanna den gescheiterten Pickelhering an der kleinen Koppel, die sie an der Stadtmauer für Pferde, Hunde und den Bären umzäunt hatten. Angekettet an einen in die Erde geschlagenen Pflock lag Bela im Gras und äugte zu David hinauf. Der schimpfte mit ihm wegen des verdorbenen Auftritts.
»Der Bär kann doch nichts dafür«, sagte Susanna. »Du wolltest zu schnell zu viel, hättest einfach länger mit ihm üben und ihm mehr Zeit geben müssen.« Die Katze strich ihr um die Beine.
»Rübelrap hat Schuld«, sagte David missmutig. »Zwischen seinen Sätzen hat er hinter dem Vorhang Honig genascht. Bela hat es gerochen.«
»Dann kann er ja noch viel weniger dafür! Und du musst gar nicht enttäuscht sein.« Sie trat zu ihm, legte ihm den Arm um die Schulter wie einem Freund, der Trost brauchte. »Die Szene ist sehr lustig gewesen. Hast du nicht gehört, wie die Leute gelacht haben am Anfang?«
»Schon.« David guckte irgendwie zerknirscht aus seinem Bauernmantel. »Doch was soll mir das dumme Gelächter? Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens irgendwelche Narren zum Lachen zu bringen.«
»Du kannst das aber wie sonst keiner, und inzwischen habe ich viele Männer auf den Märkten gesehen, die es versuchten.« Sie schüttelte ihn. »Du bist der beste von allen. Und das neue Kostüm passt so gut zu dir! Wenn du wüsstest, wie stolz ich war …«
Auf einmal merkte sie, wie viel sie redete und wo ihre Hände lagen. Sie wollte sie schnell wieder zu sich nehmen, doch da hielt David sie schon fest. »Danke«, murmelte er. »Das hat die Landgräfin auch gesagt.« Er küsste erst ihre Hand und strich Susannadann über die Wange. G anz weich wurden seine Züge mit einem Mal, ganz zärtlich sein Blick. Er zog sie an sich, beugte sich zu ihrem Gesicht, um sie zu
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