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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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wirst noch ohnmächtig werden vor Angst, bevor du überhaupt in die Bühne hinuntersteigst.«
    »Ich werde ganz ruhig sein.« David spähte hinüber zu den Ankleidetischen. An einem verwandelte sich der glattrasierte Charles Rowland in die schöne Kaufmannsfrau. »Ich schaffe es, ich werde Komödiant in ihrer Compagnie.« Er fasste Susanna bei den Oberarmen. »Und du wirst den Engländern derart prächtige Kostümeschneidern, dass sie noch Gott auf den Knien danken werden, uns beiden begegnet zu sein.«
    »Ich fürchte, der Prinzipal glaubt gar nicht an Gott.« Sehr weich wurden Susannas dunkelblaue Augen. Ein feines Lächeln spielte um ihren Mund. Himmel, wie er sie begehrte! Und sie gab sich immer noch spröde.
    »Ich will dich küssen.«
    »Vielleicht nach der Tragödie, wenn sie dich genommen haben.«
    »Jetzt.« Ein Fremder lief auf der anderen Seite des Gartens von der offenen Pforte aus in den Rübenacker hinein. David nahm ihn nur beiläufig wahr. »Nur einen einzigen Kuss.«
    »Lieber nicht.« Susanna legte die Hände an seine Unterarme, um sie wegzudrücken.
    »Nachher in der Bühne muss ich die Verführerin küssen.« Der Fremde trug einen offenen Lederkoller, ein Degen baumelte an seinem Brustbandelier. Das Haar unter dem Filzhut und der Bart waren blond. »Ich sollte noch ein wenig üben.« Er zog Susanna zu sich.
    »Sie wird dich küssen, und du musst dich lediglich dumm anstellen. Das kannst du auch ohne zu üben. Außerdem bin ich nicht zum Üben da.«
    »Da hast du recht.« David schlang die Arme um sie. »Also küss ich dich richtig.« Sein Mund berührte ihre Lippen. Eigenartig, dieser Fremde da in den Rüben. Seine Zunge streichelte ihre Lippen. Er schloss die Augen. Als er die Spitze ihrer Zunge berührte, entzog sie sich ihm und schob ihn von sich.
    »Ich kann nicht.«
    »Warum nicht?« Er sah ihr an, woran sie dachte; an wen sie dachte.
    »Man muss …« In Susannas Zügen arbeitete es, sie suchte nach Worten. »Nur wer verheiratet ist, darf küssen.«
    »Na gut.« David ließ sie los und seufzte. »Dann heiraten wireben. Sobald ich es geschafft habe und Komödiant in der englischen Compagnie bin, suche ich einen reformierten Prediger.«
    Der Fremde stand immer noch im Rübenacker. Jetzt griff er nach seinem Degen.
    *
    Verrat! Alles in ihm schrie es: Verrat! Schmerz verwandelte sich in Jähzorn, und Hannes griff nach seinem Degen. Töten wollte er, nur noch töten und Blut sehen.
    Dieser Gaukler durfte nicht am Leben bleiben!
    Halb hatte er die Klinge schon gezogen, da blitzte ihm ihr geliebtes Gesicht durch den Schädel, der ernste Blick ihrer dunkelblauen Augen, das Lächeln ihres schönen Mundes. Im Geist sah er Susanna sich schützend vor den anderen stellen, sah seine Klinge in ihr Gesicht fahren und ihr Lächeln zerschlagen und in eine klaffende Wunde verwandeln. Für einen Moment wichen Jähzorn und Schmerz der Liebe, die er für diese Frau empfunden hatte und bis ans Ende empfinden würde.
    Hannes erschrak bis ins Mark. Susanna verletzen? Nur das nicht! Er ließ die Klinge los, fuhr herum, rannte aus dem Acker, stürzte durch die Mauerpforte und lief zu seinem Rappen, so schnell er nur konnte. Nur weg von diesem Garten, nur weg von Susanna und dem verhassten Gaukler, nur weg von dem Blut, das sein Hass zu vergießen bereit war. Er floh vor sich selbst. Er floh vor dem, was sein brennender Zorn anrichten wollte.
    Im gestreckten Galopp ließ er den Heilsbrunner Hof hinter sich, preschte in die Stadt hinein. In einer Gasse kurz vor dem Hauptmarkt, als er merkte, dass Fußgänger ihm ausweichen mussten und hinter ihm her schimpften, straffte er die Zügel, und sein Rappen fiel erst in einen leichten Trab und trottete schließlich gemächlich über den Hauptmarkt und durch die Gassen bis zur Lorenzkirche hinunter und weiter zur Südmauer.
    Tränen verschleierten Hannes die Sicht auf Fassaden und Türme. Er wollte fort aus der Stadt, und konnte sich doch nicht von ihr lösen. An der Südmauer machte er kehrt, ritt wieder hinauf nach Norden. Zorn und Schmerz rasten in seiner Brust, Trauer und Verzweiflung. Ziellos ritt er durch Nürnberg.
    In der ersten Abenddämmerung ragte der wuchtige Rundturm des Neutors nicht weit vor ihm auf. Durch dieses Tor führten die Wege nach Nordwesten aus der Stadt heraus. Hannes hielt den Rappen an und sah zum Tor hinüber. Wohin jetzt mit ihm?
    Irgendwo rechts von sich hörte er Stimmengewirr, raues Gelächter, das Klappern von Würfeln und das Klirren von

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