Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Krügen. Er wandte den Kopf. Hinter einem Torbogen sah er Fackeln am Gemäuer eines Hofes flackern. Eine Schenke. Zu ihr lenkte er seinen Rappen.
In einem offenen Stall band er das Tier fest, trat in den Hof und ließ sich an einem der leeren Tische auf eine Bank fallen. Wie tot kam er sich vor, wie mit lauter kaltem Stein gefüllt. Er bestellte Wein. Ob er nichts essen wolle, fragte die Wirtin, als sie Krug und Becher vor ihn auf den Eichentisch knallte. Nein, nichts zu essen. Sie beäugte ihn mitleidig und schenkte ihm ein. »Zum Wohl.«
»Zum Wohl, ja.« Den ersten Becher leerte er in einem Zug, und die Wirtin schenkte auch gleich nach. Schnell wurde es dunkel, die ersten Sterne funkelten am Himmel. Da brachte die Wirtin schon den zweiten Krug.
Hannes saß, trank und stierte vor sich hin. Die Stunden vergingen, die Schenke füllte sich, von allen Tischen lugten sie zu ihm herüber. Hannes merkte nichts. Die Wirtin ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Ob man ihn beraubt hätte, wollte sie wissen. Hannes schüttelte stumm den Kopf. Beim dritten Krug kassierte sie vorsichtshalber schon einmal.
Einer mit kleiner Halskröse und weißen Spitzenmanschetten setzte sich zu ihm. Die grüne Samtjacke über seinem Elchlederwams war mit roten Bändern verziert und mit Schlitzen, sodassman das gefaltete Spitzenfutter sehen konnte. Bänder trug er auch unter den grünen Kniehosen und über den weiten und mit Spitzen gefüllten Stiefelstulpen. Im Band seines hellen Lederhuts glänzte es wie von Edelsteinen und an seinen Fingern und Ohren wie von Gold.
»Er sieht traurig aus«, sagte der Mann und löste seinen mit edlem Korb verzierten Degen vom Bandelier. »Und das an einem derart schönen Abend?« Er schnalzte mit der Zunge und bestellte einen Krug vom besten Wein. »Johan von Brüggen.« Der schon ziemlich berauschte Hannes blinzelte den freundlich lächelnden Edelmann an, ergriff dessen ausgestreckte Rechte und murmelte seinen Namen.
»Nenn mich ›Jan‹, Hannes. Das tun alle meine Freunde.« Der elegante Mann sprach in rheinländischer Färbung, sang beinahe, wenn er etwas sagte. Seine Stirn war gewölbt, sein Mund klein, sein Gesicht lang und hohlwangig, aber dennoch irgendwie weich. Seine Augen standen nahe beieinander – an Marderaugen erinnerten sie Hannes –, und ein gepflegter buschiger Spitzbart kaschierte sein fliehendes Kinn. Lustig sah er aus, wenn er grinste, und er grinste unentwegt.
Die Wirtin brachte zwei Kelche und einen großen Krug Wein. Sie schenkte ein und räumte Hannes’ leeren Becher weg. Hannes und sein Tischgenosse stießen an. »Lass mich raten«, sagte der Mann, der von seinen Freunden Jan genannt wurde. »Eine Frau.« Hannes stierte in seinen Weinkelch, und der Fremde deutete das als Antwort. »Man sieht es dir auf eine deutsche Meile Entfernung an. Armer Landsmann!« Wieder stießen sie an, und während er an seinem Kelch nippte, seufzte Jan Edelmann: »Es ist ein Kreuz mit den Weibern. In Zeiten des Krieges, wenn man ihnen nicht Tag für Tag die Zügel stramm ziehen kann, sowieso. Treuloses Weiberpack!«
Danach gab er ein paar Anekdoten aus seinem Leben und aus dem Leben von Freunden zum Besten, lauter schlimme Geschichten, in denen treulose Frauen unschuldige Männer zugrunde richteten. Und danach hatte er Hannes so weit, dass der stockend zu erzählen begann – von Susanna, von Heidelberg, von dem Gaukler, und wie er ihn und Susanna im Heilsbrunner Hof gesehen und vor seinem eigenen Jähzorn die Flucht ergriffen hatte.
»Loses Volk, diese Gaukler und Komödianten.« Jan von Brüggen winkte ab und bestellte noch einen Krug vom Besten. »Ohne Gott und Moral. Der Pranger ist zu schade für sie. Und weißt du, was ich an deiner Stelle getan hätte vorhin im Klostergarten, mein lieber Hannes? Totgeschlagen hätte ich den Kerl, und der Hure den Hintern versohlt und sie dann vergessen. Kein Hahn hätte nach dem Gaukler gekräht, und einem wie dir liegen die Weiber doch zu Füßen.«
Die Wirtin brachte den nächsten Krug und schenkte nach; sie stießen an. Jan Edelmann beugte sich dicht zu Hannes und berührte ihn am Arm. »Ach was, vergiss es einfach. Irgendwann wird er sie wegwerfen wie ein zu oft gebrauchtes Schnupftuch, und sie wird angekrochen kommen und an deiner Tür scharren wie eine Hündin. Doch vorher weiß ich etwas Besseres als Liebeskummer für dich.«
Die halb gesungenen Worte des Edelmanns fachten Hannes’ Wut neu an. Er nickte, trank und spitzte die Ohren.
»Ich habe
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