Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
mächtigeren Garanten für die evangelische Sache als König Christian von Dänemark gab es derzeit nicht.
An der Seite des Dänen standen der Tolle Halberstädter und der abgebrühte Graf von Mansfeld – beide mit Geldern aus Frankreich und den Niederlanden ausgestattet. Und seit Mitte August hörte Hannes Gerüchte, dass auch der lutherische Herzog Johann Ernst von Sachsen Weimar etliche Regimenter unter seiner Fahne versammelt habe, um für die evangelische Sache in den Krieg zu ziehen.
Ein Pulverfass.
Tilly zündelte bereits entlang der Weser daran, und nun gedachte auch der Friedländer – seit ein paar Wochen General und Herzog – seinen Teil dazu beizutragen, dass es explodierte und den Evangelischen um die Ohren flog.
Hannes sah das alles, doch es ließ ihn gleichgültig. Er hatte seinen eigenen Krieg, und er wartete auf seine Stunde.
Der kleine, drahtige Cornet auf dem Pferd zu seiner Linken hieß Peter Laußnitz. Ein großmäuliger Sachse. Damals, als Hannes vom Weingarten aus sein Dorf brennen sah, war Laußnitz noch Corporal gewesen. Und der Rittmeister neben dem Cornet – ein frommer Bayer, der sich bei jeder Gelegenheit bekreuzigte und Bildnisse der Jungfrau Maria an Sturmhaube, Karabinerkolben und Harnisch trug –, dieser Mann wütete damals als Wachtmeister der Kompanie in den Häusern und Gärten des Walddorfes. Er hieß Franz Staudinger.
Mehr als die Hälfte der Kompanie, die noch zu Beginn des Krieges unter von Herzenburg ritt, war inzwischen gefallen. Vier durch Hannes’ Hand. Von den Namen derer, die damals dabei waren, als das Walddorf brannte und Hannes die Schreie der gequälten und sterbenden Verwandten und Nachbarn hörte, hatte er eine Liste angefertigt. Die trug er im Futter seines Kollers.
Am Abend schlugen sie das Nachtlager in der Gegend von Mühlhausen auf. Am nächsten Tag gab es ein Scharmützel mit Bauern, die genug davon hatten, ihre Ernte und ihr Vieh Soldaten aus gleich vier Heeren überlassen zu müssen; Tilly, der Halberstädter und der Graf von Mansfeld waren hier nämlich schon vorbeigekommen. Es gab Tote; aber nicht auf Seiten der friedländischen Armee.
Drei Tage später wieder kleinere Kämpfe, diesmal mit dänischen Dragonern, die das kaiserliche Heer auskundschafteten; und diesmal wurde auf beiden Seiten geblutet und gestorben.
Hannes führte drei Rotten hinter flüchtenden Kundschaftern her. Er fühlte nichts, wenn er einen Dänen vom Pferd schoss, er dachte nichts, wenn er einem Dänen die Klinge in die Brust stieß. Er befolgte die Befehle seines Rittmeisters und seines Obristleutnants. Und wartete auf seine Stunde.
Bald schlossen sich ihnen weitere Kompanien Wallensteins an, und Mitte Oktober traf der Friedländer sich mit dem General Tilly in dem kleinen Flecken Hemmendorf zwischen Hameln und Hildesheim. Die Heerstraße nach Norden führte durch das Dorf. In ihm besprachen die beiden Feldherren ihre Kriegspläne, versuchten, einander ihre Eifersucht nicht anmerken zu lassen, einigten sich auf Winterquartiere und erließen ein Manifest an die Obersten des Niedersächsischen Kreises. Darin beschuldigten der Bayer und der Friedländer sie, es lieber mit einem Geächteten wie von Mansfeld statt mit dem von Gott gesetzten Kaiser desHeiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu halten. Deswegen trügen sie auch allein die Verantwortung für all das Blut, das in den nächsten Monaten unweigerlich fließen würde.
Da wusste auch der letzte Pferdejunge, was die Stunde geschlagen hatte.
Tillys Kriegsvölker zogen daraufhin in die Gegend von Hannover, wo dänische Truppen lagen, und hinauf an die Weser nach Bremen, wo der Graf von Mansfeld sich verschanzt hatte und die Bewohner drangsalierte.
Hannes rückte mit Wallensteins Heer nach Norden vor, ein Winterquartier an der Elbe blieb das Ziel seines Generals. Den Elbestrom brauchte er vor allem, um auf ihm Nachschub an Lebensmitteln und Material aus Böhmen heranzuschaffen – sechzigtausend wollten gespeist werden über die kalten Monate, und frieren sollte auch keiner. Allein mit Auspressen von Bauern und Bürgersleuten war das nicht zu bewerkstelligen.
Vier Tage nach dem Treffen mit Tilly ritt Hannes im Gefolge Wallensteins durch die Straßen von Halberstadt, und noch einmal zwei Wochen später eroberte er mit den Truppen des Friedländers die Stadt Halle. Anfang November 1625 bezog seine Kompanie dort ihr Winterquartier, und man befahl ihm zu tun, was er in Böhmen gelernt und so erfolgreich getan
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