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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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hatte: Bauern und Bürgern Geld und Gut aus Kästen, Strümpfen, Schatullen und Ställen locken.
    Hier ging es nicht um Steuern, hier ging es um »Kontribution«, wie der Friedländer das zu nennen beliebte. Alle helfen mit bei der Bezahlung und Ernährung des Heeres, hieß das, Freund oder Feind, ob sie wollen oder nicht. Manche hohe Offiziere drückten es poetischer aus: Das Land sollte den Krieg ernähren.
    Das klang nicht schlecht – was aber, wenn der Krieg unersättlich wurde? In Hannes’ Augen gebärdete er sich als gieriger Nimmersatt: Er fraß das Land auf. Und seine Bewohner gleich mit.
    Zwei ganze Reiterregimente ritten zum Fouragieren in die Landschaften östlich von Halle, manche Rotten bis über die Grenze ins Kurfürstentum Sachsen hinein. Von Herzenburg wollte nicht leer ausgehen und schickte auch seine Kompanien mit. Der Rittmeister Staudinger führte die Kompanie an, in der Hannes Leutnant war. Zwei Wochen vor dem ersten Schnee geschah es. Wo immer die Reiter Männer und Frauen entdeckten, fielen sie über sie her.
    Staudinger, den Namen der Heiligen Jungfrau anrufend, ließ die Kompanie eine Schafherde niederreiten. Die Männer griffen sich die verletzten Tiere, töteten sie und führten sie auf geraubten Karren mit. In einem Dorf fielen sie über eine Schweineherde und seinen Hirten her. Die Bauern stürzten aus den Häusern, beschimpften die Arkebusiere, verteidigten ihr Hab und Gut mit Mistgabeln und Äxten.
    Ehe Hannes sich versah, fielen Schüsse, blitzten Klingen in der Mittagssonne auf, und bald schimpfte keiner mehr. Über die Leichen der Männer hinweg stürmten einige Männer der Herzenburger Kompanie die Bauernhäuser und fielen über Vorratskammern, Truhen, Kleiderkästen und Frauen her.
    Was hier geschah, hatte Wallenstein streng verboten, und Hannes begann nun doch wieder zu fühlen und zu denken: Er geriet außer sich. Plötzlich hörte er im Geschrei der sächsischen Bauern seine Walddörfler schreien und sah in dem Feuer, das Leute seiner Kompanie gelegt hatten, seine eigene Heimat verbrennen.
    Er brüllte wie ein Rasender, ging mit Fäusten und gezückter Seitenwehr auf die eigenen Arkebusiere los. Seine Reiter ließen ab vom Rauben, Morden und Schänden. Doch was nützte das, wo nur wenige Wegstunden entfernt Staudinger und Laußnitz sich mit ihren Rotten über sächsische Dörfer und Weiler hermachten.
    Hannes befahl einem Feldwebel und einem Corporal, mit ihren Leuten sieben Häuser zu schützen, die noch nicht brannten, und eine Kirche, in die sich Bauern mit ihren Familien geflüchtet hatten. Er selbst ritt mit zwölf Gefreiten zurück nach Halle und schlug Alarm bei einem Reiterobristen.
    Zwei Dragonerkompanien unter Führung dieses Obristen ritten mit ihm zurück nach Kursachsen in die überfallenen Dörfer. Ein Profos schloss sich ihnen an, ein Henker und drei Steckenknechte. Der Obrist tobte mächtig, als sie das erste verwüstete Dorf erreichten. Einen Feldwebel und einen Corporal ließ er an Ort und Stelle niederhauen, eine halbe Kompanie in Fesseln aufsitzen. Den Rest erinnerte er an die strengen Gesetze des Friedländers und an die Strafen, die jeder zu erwarten hatte, der sich nicht daran hielt. Und besonders verwerflich sei es, derartige Gräuel auf dem Hoheitsgebiet eines neutralen Kurfürsten anzurichten.
    »Kurfürstlich oder nicht«, ließ sich ein gefesselter Feldwebel hinreißen zu erwidern; er trug den gestohlenen Hut des Schweinehirten. »Ich muss fressen und mein Pferd muss auch fressen.« Der Oberst zog augenblicklich seinen Degen und schlug den Mann eigenhändig tot.
    Hannes stand abseits und sah den Feldwebel in seinem Blut liegen. Und er hörte die geschändeten Mädchen heulen, sah die Häuser brennen und die Bäuerinnen mit zerrissenen Kleidern über den Leichen ihrer Männer und Söhne die Hände zum Himmel ausstrecken. Die Gesichter der Toten und Gedemütigten verwandelten sich in seinem Geist in vertraute Gesichter: in die seiner Eltern, Geschwister, Großeltern und Nachbarn.
    Sieben Jahre währte der Krieg schon, und so wie er begonnen hatte für die im heimatlichen Walddorf damals, so ging er seitdem immer weiter und weiter: Für die armen sächsischen Bauersleute hier, für die deutschen Dörfer und Städte im Reich, die jetzt schon auf seiner Liste standen, und auch für jene, die er in Kürze darauf notieren würde. Er hatte erst begonnen, der gierige, nimmersatte Krieg – und er, Hannes, war längst ein Teil von ihm. In dieser Stunde sah

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