Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Hannes es mit kühlem Kopf und mit einer Klarheit, die ihm alle Kraft der Hoffnung aus den Gliedern trieb.
Hüte dich, Hannes Stein , tönte auf einmal die Stimme Kristinas in seinem Geist. Blut und Herzeleid , krächzte die alte Stimmeder Wahrsagerin in Frankfurt, hüte dich, Pfälzer, achte auf deine Wege …
*
Ich komme. Ein Bote brachte die Nachricht von Maria; seit dem Herbst lebte sie in Cölln an der Spree bei ihrer jüngeren Schwester am Hof des Kurfürsten von Brandenburg. Maximilian schickte ihr eine Eskorte entgegen und ließ sie von Potsdam aus zu sich nach Dessau holen. Persönlich konnte er die Stadt unmöglich verlassen – sein General hatte ihn beauftragt, die Dessauer Elbbrücke zu befestigen.
Angeblich gab es Menschen, die befolgten jedes einzelne Gebot Gottes auf das Peinlichste, um ihre ewige Seligkeit nicht aufs Spiel zu setzen. Maximilian von Herzenburg kannte keinen solchen Menschen. Er war jedoch umgeben von Männern, die Wallensteins Befehle auf das Peinlichste genau befolgten, weil sie ihr Leben nicht aufs Spiel setzen wollten.
Es war Anfang Dezember 1625, der Winter zeigte Erbarmen – noch keine Eisdecke bedeckte die Elbe, der erste Schnee taute schon wieder, und der Boden erwies sich noch immer als weich genug, um Laufgräben auszuheben und Fundamente für befestigte Schanzen zu legen.
Eine starke Garnison mit einem Dutzend halben und ganzen Kartaunen sollte die Brücke von Dessau künftig sichern. Der Herzog von Friedland hielt sie für einen begehrten Weg nach Südosten, was seine Feinde betraf, und einen noch wichtigeren Weg nach Norden, was ihn selbst betraf. Wallenstein hatte es langfristig auf Mecklenburg abgesehen.
Maria kam mit drei Kutschen und wollte rasch weiter nach Österreich, wie sie erklärte. Greenley und seine Komödianten verbrachten den Winter in den kaiserlichen Erblanden; dort nämlich ruhte der Krieg ein wenig aus momentan, und die Engländerspielten in Salzburg, Graz und natürlich in Wien, vor dem Kaiser.
Maximilian stellte sich Ferdinand vor, wie er über die Späße des Pickelherings lachte, während an Elbe und Weser seine Soldaten für ihn schwitzten, bluteten und starben. Die Vorstellung trieb ihm einen bitteren Geschmack auf die Zunge.
In dem Jagdschlösschen an der Mulde, in dem er sich selbst einquartiert hatte, ließ er der Prinzessin und ihrem stark verkleinerten Hof fünf Zimmer räumen. Selbstverständlich dachte er dabei auch an seinen eigenen Nutzen; Marias Schlafzimmer lag nur wenige Schritte von seiner eigenen Tür entfernt.
Nach Einbruch der Dunkelheit, als sie endlich allein waren und die Kammerzofe, deren Namen Maximilian sich nicht merken konnte, Wein und Gebäck serviert hatte, kam Maria sofort zur Sache. »Wenn Prinz Kröterich seine Drohung wahrmacht und mich verstößt und enterbt, dann bin ich am Ende. Mein Vater schreibt Briefe in ungewohnt harschem Ton – auch von ihm hätte ich in diesem Fall nichts mehr zu erwarten, daran lässt er keinen Zweifel. Wir müssen handeln, Max.«
Wir? Hatte er richtig gehört? Worauf wollte sie hinaus? Er nickte und dachte an den Brief des Herrn Grafen vom letzten Frühjahr. Seitdem hatte er nichts mehr von seinem Vater gehört. »Du sprichst, als hättest du konkrete Pläne.«
»Du denn nicht?« Maria hatte auf der anderen Tischseite Platz genommen, die Arme vor der Brust verschränkt und die Beine übereinandergeschlagen. Sie machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu holen, wonach sie gewöhnlich so heftig verlangte, wenn sie sich lange nicht gesehen hatten. Schon ihre Begrüßung war schmerzlich zurückhaltend ausgefallen. »Hat denn der Prinz noch keine Genugtuung verlangt? Dann fürchtet er dich. Ein schlechtes Zeichen – gib nur Acht, dass er dich nicht hinterrücks aus dem Weg räumt!«
»Der Prinz von Bernstadt ist ein Ehrenmann.«
»Ein ›Ehrenmann‹!« Maria blies verächtlich die Backen auf. »Das habe ich gemerkt, als er mit der Reitpeitsche auf mich einschlug!«
Maximilian rechnete damit, dass sie sich jetzt auszog, um ihm die Striemen zu zeigen. Die hätte er gern geküsst, die und noch mehr. Doch sie rückte nicht einmal näher zu ihm heran. »Das tut mir leid«, sagte er, und kaum hatte er das ausgesprochen, merkte er, wie unbeteiligt es klang.
»Was redest du? ›Es tut mir leid‹, ›Ehrenmann‹ – begreifst du nicht?« Sie sprang auf und begann im Zimmer auf und ab zu laufen. »Deine Kleine hat uns beide bei ihm angeschwärzt! Und er wird uns beide dafür
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