Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Gassen und Straßen. »Ich freu mich, Ihn wiederzusehen. Geht es Ihm gut?« David nickte. »Ich höre, Er ist Vater geworden – meinen Glückwunsch.« Er bedankte sich.
Sie erkundigte sich nach Namen und Wohlbefinden des Kindes, wollte wissen, wie es der Mutter gehe, und kam David alles in allem merkwürdig unruhig vor. Ganz so, als würde sie mit dem, was sie wirklich bewegte, noch hinterm Berg halten. »Er weiß sicher, wem Greenley die Einladung nach Dresden zu verdanken hat«, sagte sie schließlich.
»Euch, Prinzessin, nehme ich doch an«, antwortete David. »Euch und der Kunst des Prinzipals.« Er grinste. »Seinem Pickelhering vor allem.«
»Auch dem, gewiss.« Sie sah ihn an, ihr Blick flog über seine Miene, seine Gestalt. Etwas stimmte nicht. »Vor allem aber hat Er die Fürstin Magdalena Sibylle beeindruckt. So sehr, dass sie Ihn wieder auf der Bühne zu sehen wünscht.«
»Ich?« David glaubte nicht recht zu hören. »Mich?«
»Er ist der Beste, weiß Er das denn nicht?« Jetzt lächelte sie ihm ohne Scheu ins Gesicht – und Himmel! Wie ihre grünen Augen leuchteten. »Und wenn Er mich lässt, werde ich dafür sorgen, dassman das überall erfährt, wo Fürsten Komödien zu schätzen wissen. Ich verfüge über beste Beziehungen im Reich.« Als wollte er seine Gedanken erforschen, flog ihr Blick erneut unruhig über seine Gestalt und sein Gesicht. »Lässt Er mich?«
»Aber ja …« David versuchte zu verstehen, versuchte, Ordnung in seine Gedanken und Empfindungen zu bringen. »Ich … ich bin nur überrascht, ich finde keine Worte … Ihr macht mich verlegen, Prinzessin.«
»Oh, das wollte ich nicht.« Sie berührte seinen Arm. Wie ein junges Mädchen wirkte sie plötzlich. »Nenn mich künftig einfach Maria, ja?« Sie nahm seine Hand und lächelte ein weiches, beinahe zärtliches Lächeln, das ihm bis ins Herz reichte. So hatte Susanna ihn noch nie angelächelt.
»Maria …?« David schwirrte der Kopf.
»Ja, David – einfach Maria. Und du musst gar nicht verlegen sein.« Sie drängte sich an ihn, die Kutsche hielt. »Ich habe dich in Nürnberg gesehen und wusste sofort: Du bist es.«
Ihre Lippen berührten seine. Wie warm und weich sie waren, und wie süß sie schmeckten! David kam es so vor, als versinke er in einem unbekannten Land.
8
H ufschlag erfüllte die Luft. Die Reiter palaverten, scherzten, lachten; einige sangen. Zuversichtliche Stimmung herrschte in der Kompanie. Hannes setzte die Feldflasche an die Lippen und trank. Das Wasser war warm von der Sonne und dem Leib seines Rappens.
In mehreren Heeresabteilungen zog Wallensteins Armee zur Elbe hinauf. Hannes ritt unter den nördlichsten Regimentern; unter jenen, die dem Strom am nächsten waren. An die sechzigtausend Mann hatte der Friedländer in kürzester Zeit zusammengebracht. Das ganze Reich bestaunte ihn. Hannes bestaunte etwas ganz anderes.
Er äugte verstohlen nach links zum Cornet und dann an der Fahnenstange in dessen rechter Faust hinauf zum goldenen Hirschgeweih, das auf blauem Grund über ihren Sturmhauben wehte. Das tat er nicht selten, und jedes Mal zweifelte er an seinen Sinnen: Er ritt jetzt unter der Herzenburg-Standarte – war das nicht aberwitzig? Er ritt jetzt in der Herzenburger Kompanie, in der Mörderbande! Ein böser Scherz des Schicksals? Nein – Hannes hatte die Möglichkeit gesehen und zugegriffen; er hatte es so gewollt.
Seit er dem Befehl des Obristleutnants Maximilian von Herzenburg unterstand, war alle Dumpfheit von ihm abgefallen. Hellwach beobachtete der Zimmermann aus dem Odenwald, was um ihn herum geschah. Wein rührte er schon seit der Fastenzeit nicht mehr an. Nüchtern wollte er bleiben, bis seine Gelegenheit kam; hellwach und nüchtern so lange, bis er alles getan hatte, was er seinen Toten schuldig zu sein glaubte.
Mitte September war es, gestern hatten sie die Werra überquertund mit der Landgrafschaft Hessen-Kassel verbrannte Erde hinter sich gelassen. Im niedersächsischen Kreis braue sich etwas zusammen, hieß es. Hannes und die Offiziere der kaiserlichen Reiterei wussten nur, dass die protestantischen Stände dort den Dänenkönig zu ihrem Kreisobristen ernannt hatten.
Ein Kreisobrist im Heiligen Römischen Reich war oberster Verwalter, erster Richter, höchster Offizier und oberster Kaufmann in einem. Die Fürsten und Magistrate an Aller, Weser und Leine schienen eisern entschlossen, nie wieder Priester oder Mönche römische Messen in ihren Kirchen lesen zu lassen, und einen
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