Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
seinersiegreichen Kampftruppen ab und belobigte Männer, die sich durch besondere Tapferkeit hervorgetan hatten. Auch Hannes. Dabei fiel sein Blick auf den Rappen, und sein strenges Gesicht legte sich in missbilligende Falten. »Diesen Ackergaul hat Er gewiss nicht auf meinen böhmischen Weiden gefunden! Habe ich Ihn nicht schon in Gitschin angewiesen, das Tier auszumustern?«
Totenstille auf einmal. Rechts und links des Generals hielten die Obristen den Atem an – von Herzenburg, Isolano, von Brüggen, alle.
»Ich konnte mich nicht von meinem Rappen trennen, Durchlaucht«, sagte Hannes mit fester Stimme. »Er hat mir schon zweimal das Leben gerettet. Zuletzt hat er mich gestern dem Gevatter Tod aus der Reichweite seiner Sense getragen. Hätte ich Euren Befehl befolgt, könntet Ihr mich jetzt nicht belobigen, Durchlaucht.« Er hielt dem strengen Blick des Generals stand – bis der nickte. Dann war es ausgestanden, und Wallenstein wandte sich dem Nächsten zu.
Am Abend wollten von Herzenburg, sein Rittmeister und sein Cornet wissen, wo der Rappe dem Leutnant Stein zum ersten Mal das Leben gerettet hatte. Hannes dachte an den Winterwald oberhalb seines Dorfes, wie die Kugeln ihn dort im Rücken trafen und er mit dem Leben abschloss. Fünf Jahre war das schon her, und doch kam es ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen. Daran dachte er – und erzählte denen von der Herzenburger Kompanie eine andere Geschichte, eine hübschere.
Mit der Schlacht an der Dessauer Brücke war das Pulverfass endgültig explodiert. Tilly ging mit allem, was er aufbieten konnte, auf die Dänen los. Überall im Niedersächsischen brannte es nun, überall wurde gestorben, und das Kriegsfeuer griff schnell auf Städte und Landschaften in Hessen und Westfalen über.
Der Landgraf von Hessen-Kassel konnte nicht mit dem Tollen Halberstädter in den Krieg ziehen, denn er war abgebrannt, und das in jeder Hinsicht. Vor lauter Gram wurde der Halberstädterkrank und folgte im Juni, noch keine sechsundzwanzig Jahre alt, seinem linken Arm in die Hölle, wie Hannes im Heerlager einen Oberst tönen hörte. Ein riesiger Wurm habe ihn von innen aufgefressen, erzählte man sich unter den Landsknechten.
Das wäre ein passender Tod für den Obristleutnant von Herzenburg, dachte Hannes.
Nach der Schlacht an der Dessauer Brücke ließ der Friedländer sein Heerlager abbrechen und nahm die Verfolgung des Grafen von Mansfeld auf. Zuvor aber kommandierte er zwei Infanterieregimenter und achtunddreißig Reiterkompanien seiner gewaltigen Armee ab, um unter der Führung des Feldmarschallleutnants Des Fours zu Tillys Truppen zu reiten und ihm bei der Verfolgung des Dänenkönigs zu helfen. Die Miene des Obristenleutnants von Herzenburg sah nicht glücklich aus, als er Hannes und den Kameraden verkündete, dass auch ihre Kompanien dazugehörten.
Tillys Bayern machten ihrem Ruf alle Ehre, verwüsteten in Hessen, was noch zu verwüsten war, nahmen die Städte an der Werra ein, eroberten im Frühsommer Hannoversch Münden, belagerten Kassel, nahmen im Hochsommer Göttingen ein und blieben auch danach den Dänen hart auf den Fersen.
Aus irgendeinem Grund vermied der Dänenkönig die offene Schlacht, und als Hannes Mitte August mit seiner Kompanie zu den Bayern stieß, hieß es, man sei gerade dabei, den Dänen die Schlinge um den Hals zu legen. Um diese Zeit etwa hörte Hannes, dass der Graf Mansfeld an einem Blutsturz gestorben sei, und bald folgte ihm auch der junge Herzog von Sachsen-Weimar in den Orkus, ebenfalls wegen Auszehrung. Wieder gab es Grund zu feiern unter den Landsknechten, und die Zuversicht, den Dänenkönig zu besiegen, wuchs mit jedem Tag.
Es kam zu ersten Scharmützeln, in eines davon geriet auch Hannes. Es geschah in einem Kiefernwäldchen in der Gegend um Osterode, Hannes führte zwei Rotten den Dänen hinterher, um ihren Tross auszukundschaften. Plötzlich blitzte Karabinerfeuerzwischen den Bäumen, rechts und links von Hannes stürzten die Männer aus den Sätteln. Ein Hinterhalt!
Zwanzig feindliche Dragoner preschten aus dem Unterholz, umzingelten Hannes’ Schar und schlugen erbarmungslos auf ihn und seine Männer ein. Wieder krachten Schüsse, diesmal hinter Hannes, und dann brach sein treuer Rappe ihm unter dem Sattel zusammen und begrub ihn halb unter sich.
Er schaffte es nicht mehr, sich unter dem sterbenden Pferd herauszuwühlen – zwei Dänen standen über ihm. Einer holte bereits mit seiner Klinge aus, um sie ihm in den Hals
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