Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
heute Abend. Man setzte sich zum Essen nieder, Geiger und Flötisten nahmen auf der Bühne rund um einen Cembalisten und seinem Instrument Platz. Sie spielten eine schöne Musik zum Gläserklirren, Schmatzen, Schwatzen und Rülpsen. Der Hofkapellmeister Schütz dirigierte.
Nach dem Festmahl dann traten die ersten Sänger auf die Bühne. Bevor das Singspiel begann, verabschiedete Susanna sich, denn ihr Söhnchen rieb sich schon quengelnd die Augen und tastete nach ihrer Brust. Sie legte David das Kind zum Gute-Nacht-Sagen in die Arme, und der musste es der Fürstin weiterreichen. Die wollte unter allen Umständen geküsst werden, und unter dem Beifall der Umsitzenden zeigte der Kleine sich spendabel und schmatzte ihr lautstark auf die Wangen.
Neben David saß Maria von Bernstadt. Merkwürdig unruhig kam sie Susanna vor, und etwas Fahriges und zugleich Tapferes lag in ihrem lächelnden Blick, der jetzt zwischen David und dem Kleinen hin- und herflog. Wenigstens unterhielt sie sich gut mit David; Susanna gönnte es ihnen.
Seite an Seite mit Helena und ihrer Tochter verließ sie den Festsaal. Zwei Kammerzofen geleiteten sie durch das Kreuz-und-Quer von Zimmerfluchten zu dem Schlossflügel, in der die gehobene Dienerschaft wohnte und in der auch die Komödianten untergebracht waren. Ohne Begleitung hätten die Frauen sich verlaufen.
Gemeinsam stillten und wickelten sie ihre Kinder und sangen ihnen abwechselnd Schlaflieder vor. Die Katze streckte ihren Kopf hinter einer Wäschekiste hervor. Ihre Augen waren verklebt, ihr Fell stumpf und struppig. Sie atmete hechelnd, äugte und verkroch sich wieder. Sie war seit Tagen krank.
Susanna wurde es schwer ums Herz, während sie ihr Kind in den Schlaf wiegte – sie musste an die warmherzige Fürstin denken und an ihre ehrliche Zärtlichkeit und Zuneigung für John. Was hätte John in einer wie ihr doch für eine gute Großmutter!
Sicher – zu solchen Gefühlsaufwallungen wäre ihre eigene Mutter niemals fähig gewesen. Andererseits – wusste man’s denn? Ein Enkelkind auf dem Arm zu halten hatte schon so manche kühle und allzu strenge Mutter von Seeleneis und Prinzipienpein befreit; jedenfalls hatte Susanna von derartigen Wandlungen frischgebackener Großmütter schon gehört.
Wie es der Mutter wohl ging? Ob die Zeit und der Fortgang des Krieges nicht doch endlich einmal die weite Reise zur Bergstraße ermöglichen würden, um ihr das Enkelkind vorzustellen? Wie schön wäre es für den Kleinen, eine Großmutter zu haben.
Die Kinder schliefen ihnen an den Brüsten ein. Sie legten sie zu Bett und setzten sich an einen Tisch. Bei Kerzenschein pflegte Susanna abends dort noch in ihr Buch zu schreiben, und Helena trank gern einen Likör zum Tagesschluss. Sie hatte längst Susannas betrübten Blick bemerkt. »Bist du wegen David so traurig?«, fragte sie.
»Ich denke an meine Mutter«, seufzte Susanna, »und daran, dass mein Sohn ohne Großmutter aufwächst.« Sie stutzte, runzelte die Stirn und sah Helena an. »Wie kommst du darauf, ich könnte wegen David traurig sein?«
»Ich dachte nur. Vergiss es.« Sie schlürfte ihren Likör. »Magst du auch einen?«
»Wieso sollte ich traurig wegen David sein? Sprich doch.« Sie dachte an ihn, sah ihn vor sich, wie er strahlte, als er sich vorgestern auf der Bühne verbeugte. »Es geht ihm doch wieder gut. Als wir aus Wien abfuhren, schien er mir eine Zeitlang in Melancholie versinken zu wollen. Wahrscheinlich fehlte ihm der rauschende Beifall. Doch seit er hier in Dresden auf der Bühne stehen darf, ist er wieder bester Dinge.«
»Ja, er braucht das.« Helena füllte ein zweites Glas mit Likör und schob es Susanna hin. »Mehr als die meisten, will mir scheinen.«
»Es macht ihn stolz, dass Christopher ihm so oft die Rolle des Pickelherings und sogar manchmal die des Romeo überlässt.« Sie nahm den kleinen Kelch mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. »Und dass man auch hier in Dresden seine Kunst liebt und bejubelt, tut ihm gut.«
»Wem täte das nicht gut? Und er ist besser als die meisten inzwischen.« Sie stießen an und tranken.
Susanna schmeckte den süßen, klebrigen Pfirsichgeschmack auf der Zunge. Prüfend betrachtete sie die Freundin. »Du meinst etwas anderes, nicht wahr?« Sie beugte sich vor, berührte die Hand der anderen. »So sprich doch.«
»Man sieht euch seltener im vertrauten Gespräch als früher.«
»David und mich?« Susanna überlegte. »Möglich, ja.« Eigentlich vermisste sie nichts.
»Und
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