Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Reiterei des Prinzen von Bernstadt und des Herrn Grafen zu decken und die dänischen Geschützbatterien zu erobern, die aller Voraussicht nach ihre Südflanke unter Feuer nehmen würden. Die Karte verschwamm Maximilian vor Augen, und neben sich spürte er Hildegards Atem dicht am Ohr. Ein vager Gedanke kroch ihm durchs Hirn, tollkühn und gefährlich.
Nach der unvermeidlichen Schlacht würde er sich auf irgendeiner Lichtung mit von Bernstadt zum unvermeidlichen Duell treffen müssen. Und danach, falls Marias Mann ihn tötete, würde er in der Hölle den Teufel treffen müssen. Falls er jedoch von Bernstadt tötete, was wahrscheinlicher war, würde er vor dem Teufel noch den Profos und seinen Henker treffen müssen; Duelle nämlich waren bei Todesstrafe verboten. Wie auch immer: Er würde sterben, Hildegard bliebe ungerächt, und Maria würde er nie mehr wiedersehen.
Keinen der drei wollte Maximilian nach der Schlacht treffen, von Bernstadt genauso wenig wie den Teufel oder den Profos, und am allerwenigsten den Herrn Grafen. Wenn nun aber nicht seine, sondern eine fremde Hand die Klinge oder die Reiterpistole führte, die Marias Mann und den wüsten Herrn Grafen zu Tode brachte …?
Der vage Gedanke setzte sich in ihm fest und nahm allmählich die Gestalt eines Planes an. Maximilian wusste, was er zu tun hatte.
Er prägte sich jedes Wort des Generals und jede Linie ein, die Tillys Stab auf der Karte beschrieb; vor allem, wo von Bernstadt und die Kompanien des Herrn Grafen stehen sollten.
Innerhalb einer halben Stunde entwarf der geharnischte Mönch einen Schlachtplan, gegen den keiner der Offiziere etwas einzuwenden wusste. Zum Schluss rutschte Tillys Stab über die Karte hinweg zu einem Dorf namens Lutter und einem Hügel namens Barenberg, nicht mehr als ein stattlicher Misthaufen. »Und dafür, dass er sich uns in der Ebene zwischen diesem Dorf und jenem Hügel stellt, dafür wird Eure Reiterei sorgen, Freiherr Des Fours!«, wandte er sich an den Reiteroffizier, den der Friedländer ihm geschickt hatte. »Genug Scharmützel, genug Männer verloren! Der Däne muss jetzt Farbe bekennen!«
Zurück in seinem Zelt zeichnete Maximilian den Schlachtplan aus dem Gedächtnis auf. Den folgenden Tag wartete er noch ab. Gerade einmal drei deutsche Meilen trennten da noch die Vorhut der einen von der Nachhut der anderen Armee. Am Abend, während des Kriegsrates in Tillys Zelt, wurden die letzten Einzelheiten festgelegt – am Vormittag des nächsten Tages sollte der raubeinige Freiherr Des Fours die große dänische Nachhut mit drei Kürassierregimentern angreifen, sobald sie den schützenden Wald verlassen hatte und die Ebene südwestlich von Lutter in Richtung Wolfenbüttel durchquerte. So wollte Tilly den dänischen König endlich zur Schlacht zwingen.
Maximilian brachte seine Aufzeichnungen auf den neusten Stand. Bei Einbruch der Dunkelheit übergab er das Kommando an Staudinger und schwang sich auf seinen Schimmel. Er feixte zu seinem Rittmeister hinunter. Er wolle vor der Schlacht noch einmal für ein paar Stunden zum Tross, erklärte er ihm augenzwinkernd, eine Frau warte dort auf ihn.
Der Rittmeister Staudinger grinste zurück und merkte seinem Obristleutnant nicht an, wie die Angst ihm den Atem abschnürte, wie der Herzschlag ihm im Schädel dröhnte. Keiner, der Maximilian fortreiten sah, merkte es.
*
Sie hatten Hannes auf das Pferd eines seiner gefallenen Gefreiten gefesselt. Zusammen mit anderen gefangenen Offizieren ritt er schon den dritten Tag in der vielköpfigen Nachhut der Dänen Richtung Norden. Alle anderen Reiter seiner Kundschafterrotte hatten die Dänen erschlagen. Dass er noch lebte, verdankte er Friedrich.
In der ersten Dämmerung ließ der dänische Obrist seine Nachhutregimenter im Hang eines der zahlreichen bewaldeten Hügel lagern, die dort eine Ebene aus Weide- und Ackerland säumten. Auf der Ostseite der Ebene sah Hannes den Kirchturm eines Dorfes im letzten Abendlicht aufleuchten. Der Flecken heiße Lutter, erklärte Friedrich, und von ihm aus sei es nur noch wenig mehr als ein Tagesritt nach Wolfenbüttel hinauf. Dort wollte der Dänenkönig seine verstreuten Regimenter sammeln und sich verschanzen; das wusste Hannes inzwischen.
Sein Bruder setzte sich zu ihm, löste ihm die Fesseln, breitete vor ihm aus, was er ihm mitgebracht hatte: gepökeltes Ziegenfleisch, Brot, zwei Äpfel, eine halbe Feldflasche mit Wein.
Die dänischen Dragoner rings um sie, die für die gefangenen bayrischen
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