Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
ich Rücksicht auf meinen tapferen Rittmeister Stein nehmen. Wir werden Ihn also mit den anderen Gefangenen nach Wolfenbüttel schaffen. Vielleicht kann man Ihn austauschen.« Von Mosbach beugte sich über die Öllampe nach vorn und hob die Stimme ein wenig. »Vielleicht will Er aber auch in der Kompanie Seines Bruders für die Evangelische Sache kämpfen.« Von Mosbach sah Hannes ins Gesicht. »Wir stellen es Ihm frei. Spätestens bei Sonnenaufgang wollen wir Seine Entscheidung hören.« Er nickte und gab zu verstehen, dass alles Wesentliche gesagt sei.
Friedrich und seine Trabanten brachten Hannes zurück zu den anderen Gefangenen. Der Rittmeister Friedrich Stein gab sich einsilbig und hatte es sehr eilig auf einmal. »Ich muss noch heute Nacht zum König Christian und seinem General Fuchs reiten«, erklärte er. »Der hat übrigens früher ebenfalls für den Kaiser gekämpft – heute ist er der zweite dänische Feldherr nach dem König.« Hannes spürte, wie sein Bruder ihn von der Seite beäugte. »Falls dir das bei deiner Entscheidung hilft. Oder hast du sie schon getroffen?«
Hannes antwortete nicht gleich. »Ist es wegen diesem Mann, der vorhin im Unterstand des Obristen gesessen hat, dass du auf einmal so schnell fort musst?« Friedrich schwieg. »Ist es wegen des Papiers, das er von Mosbach zurückgelassen hat?«
»Ich bin ein Rittmeister des dänischen Königs, Hannes. Ich darf darüber mit dir nicht sprechen.«
Inzwischen waren sie in der Hügelschneise angelangt, in der die Gefangenen bewacht wurden. »Kennst du den Mann? Darfst du mir das sagen?«
Friedrich verdrehte unwillig die Augen, seine Trabanten fesselten Hannes und banden ihn im Sitzen an einen Baum. »Ich habe den Mann noch nie gesehen, und nun kein Wort mehr darüber!«, sagte Friedrich. »Morgen bei Sonnenaufgang bin ich zurück. Denke über das Angebot des Obristen nach, Bruder. Denke gründlich nach.« Er drehte sich um. Gefolgt von seinen Trabanten lief er an den anderen Gefangenen vorbei, sah nicht nach links und rechts und stapfte in den Waldhang.
»Du hättest ihn kennenlernen können!«, rief Hannes seinem Bruder hinterher. »Wenn du dich damals nicht im Misthaufen verkrochen hättest!«
Friedrich blieb stehen und fuhr herum. »Was sagst du da …?«
*
Im ersten Morgengrauen sattelten die dänischen Dragoner die Pferde. Das Fußvolk formierte sich zu Marschkolonnen, die Kanoniere spannten schwere Pferde vor die Wagen mit den Kanonenrohren. Außerhalb des Waldes bildete die dänische Nachhut Verbände, die leicht zu Schlachtformationen gestaffelt werden konnten. Die Veteranen unter den Landsknechten nahmen bereits das als Anzeichen einer bevorstehenden Schlacht. Mehr wussten nur die Offiziere bis hinunter zu den Wachtmeistern. Und Hannes. Als Corporal und Trabant seines jüngeren Bruders, des Rittmeisters, ritt er dicht hinter diesem und seinem Cornet. Und die ritten dicht hinter von Mosbach.
Friedrich war erst spät in der Nacht zum Gefangenenlager zurückgekehrt. Einen Brief mit der Abschrift des verratenen Schlachtplans hatte er dem König und seinem stellvertretenden Feldherrn Fuchs überbringen müssen. Den Dänen blieb viel zu wenig Zeit, um sich gründlich auf Tillys verratene Pläne einstellen zu können. Doch immerhin wussten sie nun, wann und wo die Bayern und die Kaiserlichen den Angriff eröffnen wollten, und welche Flanke der feindlichen Armee die schwächste sein würde.
Die Brüder besprachen sich gründlich. Friedrich verriet mehr, als er durfte. Hannes entschied, mit den Dänen zu kämpfen, undbei ihrer toten Mutter ließ sein Bruder ihn schwören, Leib und Leben des Obristen Mosbach zu schonen, wenn es so weit war.
Durch eine schmale, zu beiden Seiten von Waldhügeln begrenzte Weidezunge marschierten und ritten tausende Dänen dem Dorf Lutter am Barenberg entgegen. Aberhundert Stiefel zerstampften das Gras, zahllose Pferdehufe und Räder von Geschützlafetten und Wagen zerpflügten den Boden.
Als die Sonne sich von den Wipfeln auf den Hügelkuppen löste, begann die Ebene sich nach Norden hin mehr und mehr zu weiten. Deutlich erkannte Hannes den Kirchturm von Lutter in der Ferne. Irgendwann preschten Kundschafter heran, ritten neben dem Obristen und den leitenden Offizieren her. Von anrückenden Feinden war die Rede, von ganzen Regimentern schwerer Reiterei.
Jäh ertönten Trompeten, und die Marschkolonnen lösten sich auf und formierten sich zu Verteidigungsblöcken. Schon bebte der Boden unter dem
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