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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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und fasste ihn am Arm.
    »Gut, er ist in Magdeburg, baut einem reichen Kaufmann ein Haus für dessen Tochter. Man hat ihm sogar ein Pferd geschenkt.« Friedrichs Haar war noch blonder als das von Hannes und seine Augen ähnlich blau. Sechzehn oder siebzehn Jahre alt mochte er sein. Susanna hing an seinen Lippen und lauschte atemlos. »Nur wundert er sich, warum du seine Briefe nicht beantwortest.«
    »Er hat mir geschrieben?« Sie traute ihren Ohren kaum.
    »Ja, schon drei Mal!« Friedrich kramte in seiner Hosentasche herum.
    »Aber … ich … warum sagt mir das keiner?« Verwirrt schüttelte Susanna den Kopf.
    »Woher soll ich’s wissen? Kurz nach dem Pfingstfest ist wieder ein Brief von Hannes gekommen. Inzwischen kann ich ja selbst ordentlich gut lesen. Warte.« Friedrich zog ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche.
    Susanna war auf einmal, als würde jemand sie beobachten. Sie wandte den Kopf zur Seite, und ihr Blick begegnete dem des Gauklers, der die Violine gestrichen hatte. Ein junger Mann von schmaler Gestalt und mit schwarzen Locken. Susanna achtete nicht weiter auf ihn, denn noch jemand sah sie an: ihre Mutter. Die stand steif am Ende der Warteschlange vor der Bühne des Zahnbrechers. Ihr Blick war streng, ihre Miene vorwurfsvoll.
    »Hier«, sagte Friedrich, und Susanna fuhr wieder herum. »Das steckte in dem Pfingstbrief vom Hannes. Wollt’s dir schon geben, als wir den Ginster brachten, doch du warst nicht zu Hause und ich dachte …« Er äugte zur Mutter hinüber, drückte ihr das Papier in die Hand und flüsterte. »Warte besser bis zum Markttag, dachtich mir. Da hat man die Susanna Almut noch immer zu sehen gekriegt.«
    Susanna entfaltete das Papier. Ein graues Kuvert. Ihr Herz machte einen Sprung, denn ihr Name stand darauf. Und wie gut sie die Schrift kannte!
    *
    Am späten Nachmittag flanierten alle drei Familien über die Neckarwiesen. Mehrere Jungen und Mädchen – meist Cousins und Cousinen, aber auch einige Kinder aus den Weilern der Umgebung – balgten sich im Gras oder versuchten, Steine über den Fluss zu werfen. Anna schlenderte kichernd Arm in Arm mit ihrem gleichaltrigen Lieblingscousin Martin am Neckarufer entlang. Die älteren Cousins und die Lehrbuben des Tuchmacheronkels spreizten sich vor Susanna oder betrachteten sie verstohlen von der Seite.
    Die beiden Onkel zeigten stolz ihr gefärbtes Tuch, und der Vater, der Großvater und die Gesellen bewunderten es gebührend. Meister Almut war besserer Stimmung als noch am Mittag, denn der »Franzos«, wie er den Tuchhändler aus dem Ritterhaus nannte, hatte großes Gefallen an Susannas Stoffen gefunden und gleich etliche Ellen gekauft.
    Die Mutter dagegen schnitt eine weinerliche Miene: Die frische Wunde im Kiefer quälte sie, ihre Wange war geschwollen, und das Sprechen fiel ihr schwer. Susanna hatte nichts dagegen. In ihrem Kleiderärmel brannte Hannes’ Brief – noch immer ungeöffnet. Die Mutter hatte zwar gesehen, dass Friedrich ihr etwas zugesteckt hatte, aber noch nicht danach fragen können. Jedoch belauerte sie Susanna trotz Schmerzen und dicker Backe mit Argusaugen und wartete nur auf eine Gelegenheit, sie beiseitezunehmen und auszuhorchen. So jedenfalls kam es Susanna vor.
    Beide Onkel wohnten an der Nordmauer von Heidelberg, zwischen Pfistermühle und Brückentor und kaum zwei Steinwürfe vom Neckarufer entfernt. Sie waren Brüder; und denjenigen, der Tuchmacher war, hätte eigentlich Susannas Mutter heiraten sollen; wenn es nach dem Willen des alten Meister Merkels gegangen wäre. Es war aber nach dem Willen seiner Tochter gegangen, und Susannas Mutter hatte den geschäftstüchtigen Schneidergesellen aus der eleganten Stadt Frankfurt dem einfachen Tuchmacher aus Heidelberg vorgezogen, zumal der etwas linkisch gewesen war. Außerdem hatte sein Handwerk noch immer zu den unehrenhaften gezählt. Das vor allem war damals ausschlaggebend gewesen, und so hatte Mutters ältere Schwester den Tuchmacher geheiratet; und die jüngere einige Zeit danach seinen Bruder, den Tuchfärber.
    Später, im Hof des Tuchmacher-Onkels, versammelte man sich zu einem Mahl. Die Luft war noch mild, und die Sonne senkte sich eben erst auf die westlichen Dächer der Stadt herab. Zwei Gänse und vier Hühner hatten die Tanten zubereitet. Der ganze Hof duftete von den Braten, Susannas Sinne aber fesselte nur das ungeöffnete Kuvert in ihrem Kleiderärmel. Sie fieberte der Gelegenheit entgegen, den Brief lesen zu können, ohne dass die Mutter es

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