Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
junger Mensch und ein schöner dazu, wie dem Rittmeister gleich auffiel. Wählerisch war Mariaschon als Kind gewesen. Mit einer vertraulichen Geste löste sie sich von dem Jüngeren, und wie gut von Herzenburg diese Geste von ihr kannte – ein Stich, ein ganz feiner, fuhr ihm durch die Brust. Maria aber raffte ihr Kleid über die Knöchel und eilte zu ihnen.
Der Harlekin hielt den Mann auf dem Thron inzwischen von hinten umklammert und hatte ihm die Klinge an die Kehle gesetzt. Das Publikum forderte den Tod des Königs – überwiegend auf Spanisch –, doch die energische Stimme des Harlekins verschaffte sich rasch Gehör. Er würde ja gern, erklärte er, doch leider brauche er den Onkel des Prinzen Hamlet noch, denn das Zwischenspiel sei nun zu Ende und gleich wolle er den hoch verehrten Herrschaften zeigen, wie es dem dänischen Prinzen und seiner Familie in Wahrheit erging.
Von Herzenburg beugte sich zum Handkuss über die ausgestreckte Rechte seiner Cousine. Wie schon beim letzten Mal duftete sie nach Kirschblüte. Dann trat er einen Schritt zur Seite, um von Torgau Platz zu machen. Nachdem auch dieser Maria in gleicher Weise begrüßt hatte, folgten sie ihr aus der Kirche auf den Gang hinaus und weiter in eine Zimmerflucht.
Maria von Bernstadt redete die ganze Zeit auf dem Weg in ihre Gastgemächer, erkundigte sich nach dem Ergehen der Männer, nach der Reise den Rhein herauf – sie schien zu glauben, dass sie mit der Kutsche gekommen waren –, nach dem General Córdoba und dem Stand der Belagerung Frankenthals. Immerhin darüber und über Spinolas Ablösung durch Fernández de Córdoba wusste sie Bescheid.
Aus den Augenwinkeln bemerkte von Herzenburg, wie sein Cornet Marias Gestalt mit Blicken verschlang. Das ärgerte ihn einerseits, denn ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung erwartete er durchaus von seinen Offizieren; andererseits verstand er von Torgau gut: Maria bewegte sich mit der Anmut einer Grazie, und der Schnitt ihres rot gesäumten weißen Kleides betonte die geschwungenen Linien ihres Leibes und ihrer üppigen Brüste. Lange blonde Locken strömten über die Alabasterhaut ihres Halses und ihrer Schultern. Sie hatte die weichen Gesichtszüge einer Jungfrau, doch ihre grünen Augen versprühten den Charme einer Verführerin, und ihre vollen Lippen betörten von Herzenburg schon seit früher Jugend, wie nur eine verbotene Verheißung einen Mann betören kann.
»Wenn Ihr erlaubt, würde ich meinen Vetter gern allein sprechen«, beschied sie von Torgau lächelnd. »Im Innenhof, bei Euren Männern, wird man Euch verköstigen.« Mathis guckte süßsauer und neigte den Kopf, während sie ihm die Tür vor der Nase schloss. »Ich bin froh, dass du gekommen bist, Vetter. Danke.« An einem niedrigen Tisch ließ sie sich in einem Lehnsessel nieder. »Dein Vater will dich verheiraten, wie man hört?«
»Da weißt du mehr als ich.« Vor einer Staffelei mit einem noch nicht ganz vollendeten Ölporträt Marias blieb der Rittmeister stehen und betrachtete es. Ihr köstlicher Mund wirkte darauf noch größer als in natura, und ihre weißen Brüste quollen schier aus dem weiten Dekolleté eines dunkelblauen Kleides.
»Mein Vater schrieb es mir, und der Prinz weiß es auch schon. Komm, setz dich zu mir.« Sie zog einen Lehnsessel dicht an ihren heran. »Gefällt dir das Bild?«
»In natura gefallt Ihr mir weit besser, Prinzessin.« Marias Vater, ein sächsischer Reichsgraf und Bruder seines Vaters, hatte sie mit dem Sohn eines schlesischen Herzogs verheiratet. Seitdem sprach Maximilian sie manchmal mit »Prinzessin« an.
Er legte Bandelier, Degen und Harnisch ab, schlenderte zur Sitzgruppe und ließ seine Blicke dabei durch den Raum wandern. Unter den Gemälden an den Wänden entdeckte er zwei neue Porträts von Maria. Der prachtvolle Gobelin zwischen Sitzecke und Kleidertruhe sah teuer aus. Im Mittelpunkt des kunstvoll gewirkten Bildes stand eine nackte Schönheit.
»Die Geburt der Venus«, erklärte Maria, die seinen bewundernden Blick bemerkte. »Nach einem alten Florentiner. Hübsch, nicht wahr?«
Von Herzenburg nickte flüchtig und sah sich weiter um. Vor der Kleidertruhe stand wohl ein Dutzend Paar Schuhe. Auf dem Esstisch entdeckte er spanische Kristallgläser und venezianisches Porzellan; auf einem Beistelltisch stapelten sich Bücher; die Perlmuttschatulle vor dem Kirschholzspiegel des Waschtisches quoll über von Perlen.
Vieles davon kam von Herzenburg vertraut vor, denn diese Dinge begleiteten
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