Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
ließ hin und wieder einen heiseren Lacher hören.
Während der am Boden kniende Harlekin so einfallsreich gestikulierte und dazu sein Gesicht zu den unglaublichsten Grimassen dehnte, ließ er den Ritter, der ihn mit dem Degen bedrohte, keinen Moment aus den Augen. Die Zuschauer schien er gar nicht wahrzunehmen.
»Genug!«, tönte es auf einmal vom Thron. Schlagartig verstummte jedes Gelächter im Raum, schlagartig erstarrten auch Miene und Körper des um sein Leben Kämpfenden. Alle starrten nun den in blaue Gewänder gehüllten König an. Nur der Maler zeichnete, was das Zeug hielt.
»Stoße Er diesen närrischen Kerl endlich in den Hades!«, befahlder König vom Thron herab. Die Leute im Gestühl hielten den Atem an, von Herzenburg biss sich auf die Unterlippe, und die Rechte des Cornets zuckte schon wieder zum Degenkorb.
Die Ritter im Altarraum taten einen Schritt auf den Harlekin zu, zogen ihre Klingen zur Hälfte, verharrten angriffsbereit und mit grimmigen Mienen. Wie um zum tödlichen Stoß auszuholen, nahm der Schwertträger über dem Harlekin die Klingenspitze von dessen Hals und schob den angewinkelten Ellenbogen sehr langsam und sehr weit über die Schulter. Im Raum herrschte Totenstille.
»Na gut, dann töte mich eben«, tönte der Harlekin plötzlich in gleichmütigem Tonfall und mit deutlich fremdländischem Akzent – ein Engländer, vermutete von Herzenburg – und zuckte mit den Schultern. »Ich würde dir zwar die schönste Frau der Welt anbieten, ließest du mich am Leben, meine eigene nämlich, und das samt unserer zehn Kinder, die dir fürderhin als Sklaven dienen könnten. Kannst du alles haben, edler Ritter, und du würdest diesen Tausch niemals bereuen, denn glaube mir: Eine Frau wie die meine zu besteigen ist nur wenigen vergönnt.« Im Gestühl ertönte raues Männergelächter, der Harlekin aber seufzte und schnitt eine mitleidige Miene. »Doch den Befehl seines schwachsinnigen Königs auszuführen wird einem Hanswurst von deiner Sorte wohl wichtiger sein, als mit der schönsten Frau der Welt im Bett zu liegen, fürchte ich.«
»Möge Er ihm doch endlich das unflätige Maul stopfen!«, forderte der König, rutschte bis zur Kante seines königlichen Throns und schwang die königliche Faust. »Möge Er ihn doch endlich töten!«
»Statt des Tauschhandels sollte ich dir also vielleicht besser ein Geständnis anbieten«, erklärte der Harlekin ungerührt. »Ich bin nämlich in Wahrheit ein Engel – von Gott gesandt, dich in Versuchung zu führen und deine Widerstandskraft gegen das Böse und deine Eignung fürs Himmelreich zu prüfen …«
Erneut erhob sich Gelächter. Der König sprang auf und donnerte: »Töte ihn!« Die Ritter zogen ihre Schwerter, taten einen weiteren Schritt, und der Edelmann vor dem Harlekin setzte nun endgültig zum tödlichen Stoß an.
»… und läuft es ganz dumm für dich, bin ich in Wahrheit der Teufel, der dich gleich mit in seine Hölle reißen wird«, erklärte der Harlekin in größter Ruhe. »Ich hoffe, deine Pfaffen haben dich gelehrt, wie heiß die Flammen dort unten …« Plötzlich verstummte er, fixierte die steife Halskrause seines zögernden Henkers, schnitt erst eine erschrockene, dann eine schadenfrohe Miene. Der andere runzelte die Stirn, hielt inne, senkte sogar die Klinge.
»Bettwanzen!« Der Harlekin kreischte vor Vergnügen. »Auf deiner Halskrause. Eine ganze Familie.« Der Ritter bog das Kinn zur Brust, um seine schneeweiße Faltenkröse zu überblicken. Der Harlekin zu seinen Füßen klatschte in die Hände. »Guten Appetit, Ihr hochwohlgeborenen Wanzen!«
Blitzschnell sprang er schon im nächsten Augenblick auf, entriss dem nun vollends unaufmerksamen Ritter sein Schwert und schlug es ihm gegen den Schädel, sodass er aufseufzte und zu Boden ging. Die Zuschauer grölten und klatschten, das rot-gelbe Schlitzohr aber stürzte sich mit erhobenem Schwert auf den König und nahm ihn als Geisel.
Der Rest ging in Beifall, Bravorufen und spanischem Jubel unter. Der dauerte seine Zeit, und weil auch der Rittmeister und sein Cornet applaudierten, wurde die blonde Edelfrau auf sie aufmerksam und wandte sich um. Ihre Brauen hoben sich, und ein Ausdruck freudiger Überraschung ging über ihr ebenmäßiges Gesicht. Einen Herzschlag lang begegneten ihre Blicke einander, und hinter von Herzenburgs Brustbein perlte es heiß bis in seine Lenden hinab.
Maria stand auf, zog den Maler an sich, beugte sich an sein Ohr und flüsterte mit ihm. Ein
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