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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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auf und griff hinein. Mit einem versiegelten Kuvert in der Hand drehte sie sich nach dem Rittmeister um. »Ein Befehl meines Gatten, deines Obristen, mein lieber Vetter. Der Prinz von Bernstadt stellt dir frei, ihn zu befolgen oder zu vergessen. Im letzteren Fall vernichte den Brief und vergiss ihn.«
    Er ging zu ihr, nahm ihr den Brief ab und brach das Siegel des Prinzen. Nur wenige Zeilen enthielt das Schreiben. Von Herzenburg möge ihn, seinen Obristen, als Beschützer seiner Gattin und ihrer Komödianten vertreten, hieß es darin. Und er möge die gute Gelegenheit nutzen, sich bestens getarnt in Heidelberg umzusehen: Versorgungslage, Anzahl der Geschütze, Zustand der Mauern und Wehranlagen, Moral der Bevölkerung, Anzahl der Engländer und so weiter. Und es könne sich durchaus treffen, dass man einander in Heidelberg sehe, wenn nämlich General Tilly ihn, den Obristen Prinz von Bernstadt, mit der Übergabeforderung aufs Schloss senden wird. Und dafür spreche so manches.
    Er ließ das Schreiben sinken, hob den Blick und betrachtete das Bildnis auf dem französischen Gobelin an der Wand: Eine schöne Frau, die ihre Blöße erfreulich vergeblich mit ihrem langen Blondhaar und ihrer Rechten zu bedecken versuchte. Venus also. Sie stand in einer riesigen Muschel. Um sie herum schwebten Gestalten mit wehendem Haar; eine blies die Nackte an. Maximilian musste lächeln, als ihm Marias Ähnlichkeit mit der blonden Venus auf dem Gobelin bewusst wurde.
    Er wandte sich um und sah ihr in die Augen. Deren Grün erschien ihm dunkler als noch vorhin in der Kirche. »Du tust selbstverständlich, was du willst.« Sehr leise sagte er das. »Doch wenn ich mit dir in derselben Kutsche den Rhein hinauffahre, werde ich dich nicht teilen. Mit keinem Gaukler, mit keinem Maler. Wenigstens so lange nicht, bis wir in Heidelberg sind.«
    Sie nahm ihm den Brief ab, fasste seine Finger und führte sie zu ihrer Brust. Dort drückte sie seine Hand auf ihren Busen, dahin, wo ihr Herz schlug. Dabei nickte sie stumm.
    Maximilian von Herzenburgs Gestalt straffte sich. »Gut«, sagte er jetzt wieder laut. Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn ein. »Befehl ist Befehl. Doch wir brechen gleich morgen auf. Wenn Córdoba die Stadt stürmen lässt, will ich unbedingt zurück in Frankenthal sein.«
    »Du begleitest uns also?« Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn auf die Wangen. »Ich wusste es, Max. Danke!« Zurück am Tisch nahm sie ihr Glas und trank es aus. »Und nun komm, wir gehen zurück in die Klosterkirche und sehen uns gemeinsam das Ende des Stückes an.«
    »Ich gehe lieber hinaus zu meinen Männern.« Vor dem Spiegel arrangierte Maximilian seine schwarze Lockenpracht und rückte seinen großen Hut zurecht. »Mir steht nicht der Sinn nach Narrenpossen und Komödien.«
    »Das ist keine Komödie, wahrhaftig nicht!« Die Entrüstung stand Maria von Bernstadt ins Alabastergesicht geschrieben. »Nur die Zwischenstücke sind zum Lachen. Die eigentliche Geschichte des Prinzen Hamlet aber ist tragisch. Kennst du sie denn noch nicht?« Der Rittmeister schüttelte gleichgültig den Kopf. »Er wird sterben«, sagte seine Cousine. »Alle werden sie sterben.«

9
    S usanna zog ihren Leiterwagen die Mühltalstraße hinunter. Alles schien an ihr zu zerren, sie festhalten zu wollen – die Gärten, die Häuser, die Gänse und Hühner hinter den Zäunen, ja selbst der ausgetrocknete Boden unter ihren Sohlen. Langsamer, sagte sie sich, geh langsamer, sonst fällst du auf.
    Blicke trafen sie aus Fenstern, aus Höfen, von Entgegenkommenden: gleichgültige, neugierige, mürrische, freundliche. Die Leute riefen, winkten oder nickten ihr Morgengrüße zu. Jeder kannte sie, jeder gehörte irgendwie zu ihrem Leben, seit sie denken konnte, und das Empfinden, jeder könne ihr hinter die Stirn blicken, machte ihr die Beine schwer. Sie zwang sich zu lächeln, wenn sie die Grüße erwiderte.
    Im Hof neben der Bäckerei Pfeiffer beluden Leute einen Ochsenkarren. Auch die hatten es eilig. Flüchtig nahm Susanna wahr, wie Frauen Kisten voller Hausrat zum Wagen hinaufreichten, wo ein Halbwüchsiger sie entgegennahm. Sogar einen Lehnstuhl stemmten sie zu ihm hinauf.
    Susanna war nicht die Einzige an diesem Tag, auch andere wollten weg aus Handschuhsheim.
    Im Osten löste der Sonnenball sich von der Silhouette des Heiligenbergs. Zweihundert Schritte vielleicht noch bis zur Landstraße. Susannas Hände schwitzten an der Deichsel des Leiterwagens. Eine Gasse öffnete

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