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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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selbst die halbblinde Cura außerhalb der Wagenburg einen Maulkorb tragen und an der Kette geführt werden musste.
    Sich selbst stülpte David den Hahnenfederhut des Jean Potage auf den Lockenkopf und legte sich das Holzschwert an. Vier kleine Sandbälle stopfte er sich noch in die Taschen, dann verließ er die anderen und zog Cura hinter sich her auf den Marktplatz und vorbei an den Marktständen und den Buden in der Kirchenfassade. Die Trommel vergaß er in seiner Aufregung.
    »Zu den Gauklern, ihr Heidelberger!«, rief er, während er den Ostrand des Marktplatzes ansteuerte. »Zu den Gauklern und ihren Bären, Greifen und Affen. Auf zu den neusten Abenteuern des weltberühmten Bärenjägers Jean Potage. Und Herr Pantalon, der göttlichste unter den Dentisten, bricht heute die verrotteten Zähne zum halben Preis.«
    Die Leute auf dem Markt schien seine Ankündigung nicht zu beeindrucken. Überhaupt wirkten sie heute ein wenig miesepetrig alles in allem, wie sie da an den Marktständen entlangschlurften und die mageren Auslagen anstarrten. Und wen wunderte es? Schließlich legte der Krieg bereits seine Klauen zum Würgegriff um ihre Stadt.
    Viele allerdings eilten dennoch – und ohne groß Notiz von David zu nehmen – schnurstracks in die Richtung, in der es wohl einen Gold scheißenden Esel oder wenigstens freien Weinausschank geben musste. Oder wie sonst sollte man sich erklären, dass halb Heidelberg dorthin strebte?
    Das Mädchen mit dem dunkelroten Kleid konnte David nirgends mehr entdecken. Werde es schon finden, sagte er sich, ein Glückspilz wie ich findet alles, was er sucht .
    Am anderen Ende des Marktplatzes hörte er auf zu rufen, ging noch ein Stück dem Neckargemünder Tor entgegen und wandte sich dann nach links dem alten Spital zu. Zu beiden Seiten des großen und ein wenig schiefen Hauses liefen die Leute vorbei zum Schlossweg hinauf, wo die kurfürstliche Kanzlei und die Münze lagen. David folgte der Menge. Die Bärin wusste nichts von Eile und trottete gemächlich und an gestraffter Kette hinter ihm her. »Mach ein wenig schneller, Cura, ich flehe dich an!«
    Bald ließen Gaukler und Bärin das Spital hinter sich, liefen noch ein Stück den Schlossweg hinauf, und endlich erkannte David, wohin es die Leute von Heidelberg heute zog: In den Hof der kurfürstlichen Kanzlei. Dort, hinter dem Torbogen am Fuß des Schlossberges, drängte sich die Menge und gaffte hinein. Auch an den Fenstern der kleinen Häuser gegenüber der Kanzlei hingen Neugierige, und im großen Kanzleigebäude hatte man die Fenster sämtlicher Stockwerke bis hinauf zu den Dachgiebeln aufgesperrt, aus denen unzählige Menschen in den Hof hinabschauten.
    Was um alles in der Welt mochte es dort geben? Für freien Weinausschank kam es David doch ein wenig zu ruhig vor. Nur eine einzelne Männerstimme hinter der Hofmauer erhob sich über das ansonsten gedämpfte Getuschel und Gemurmel.
    David zog seine Bärin zur Menge vor dem Torbogen. Weil er groß war, konnte er von hier aus über die Köpfe der meisten Männer und Frauen hinweg in den Kanzleihof blicken. Auch dort wimmelte es von Menschen. Rechts und links des Tores, am Eingang der Kanzlei und auch im Hof hier und da wachten Soldaten der Stadtgarnison, hielten sich an ihren Hellebarden oder Musketen fest und machten knurrige, gelangweilte oder wichtige Gesichter.
    Ein großes Podest stand an der Ostseite des Hauses, ragte halbin den Garten hinein. Auf Holz gemalte Säulen mit roten und ockerfarbenen Ornamenten verzierten seine Ränder. Seine Oberseite schien von gemauerten Wänden eingefriedet, die aussahen, als würden sie in die Tiefe eines großen Saales führen und als wären sie von Fenstern durchbrochen und mit Gemälden, Spießen und Leuchtern behängt. Den Rittersaal einer Burg schien das Podest zu tragen. Drei Männer hielten sich vor der prächtigen Kulisse auf, einer ungewöhnlicher kostümiert als der andere. Einer von ihnen redete mit wohlgesetzten Worten und englischem Akzent.
    David blinzelte und blinzelte wieder, dann hielt er den Atem an: eine Bühne.
    Eine zweite Bühne außer ihrer hier in der Stadt? Warum wussten sie nichts davon? Die Wut kochte ihm jäh aus dem Bauch in den Kopf herauf: Fremde Gaukler verdarben ihnen das Geschäft! Am liebsten hätte er geschrien.
    Die Wut vernebelte seinen Blick, und der Neid auf ihre zahllosen Zuschauer und ihre prächtige Bühne machte es David zunächst unmöglich, die Gaukler genauer zu betrachten. Gar nichts wollte er

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