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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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sprach sie leise die Worte der hitzigeren Stimme aus: »Auch Ruth hat ihre Heimatverlassen, ist dem Boas gefolgt, ohne noch einmal zurückzublicken.«
    »Sie hat sich aber von ihren Lieben verabschiedet.« Murmelnd sprach sie aus, was die andere, die kühlere Stimme einzuwenden hatte. »Außerdem war sie eine Heidin und Boas ein frommer Mann aus dem Volke Israel. Bei euch ist es umgekehrt: Du bist die Fromme, glaubst wie die Heilige Schrift zu glauben gebietet, und Hannes ist ein Papist. Und gelogen hast du auch heute Morgen.«
    »Um niemandem das Herz schwer zu machen!« Die Kirche hallte von ihrer Stimme wider.
    »Wenn es Gottes Wille ist, wird kein Krieg und keine Mutter euer Glück verhindern können. Alles ist vorherbestimmt.«
    »Aber wurden auf dem Heiligenberg nicht bereits Schanzen für Kanonen gegraben? Wo werden die hinschießen, wenn man sie erst hinaufgeschafft hat? Ganz gewiss nicht in den Odenwald hinein.«
    »Denke an deinen Konfirmandenspruch: ›Gottes Wege sind vollkommen! Er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen‹.«
    »Aber ich will doch leben, lieber Heiland!« Susanna schluchzte und raufte sich das Haar. »Ich will doch für immer beim Hannes sein!« Sie verschränkte die Arme auf der Banklehne, bohrte die Stirn hinein und weinte.
    Sie dachte an ihren Leiterwagen draußen vor der Kirche, dachte an Hannes, dachte daran, dass man sie ganz gewiss schon zu Hause in der Werkstatt vermisste und längst nach ihr suchte. Doch wie gelähmt hing sie über der Lehne der Kirchenbank, rief Gott im Himmel an, rief den lieben Heiland an und wartete darauf, dass die Stimmen in ihrer Brust endlich Frieden schließen würden.
    So verstrich die Zeit.
    Und dann näherten sich Schritte draußen auf dem Vorplatz der Kirche. Jemand kam herein. »Susanna?«
    Sie hob den Kopf und fuhr herum – der Vater stand im Kirchenportal. »Du bist hier in der Kirche, Susanna?« Rasch lief erdurch den Mittelgang, seine Schritte hallten durchs Kirchenschiff. »Der Schultheiß sah dich in die Kirchgasse einbiegen, und draußen steht ja der Leiterwagen.«
    Er kam ins Gestühl, verharrte über ihr und musterte sie verwundert. Er sah unglücklich aus.
    Susanna sagte gar nichts, wischte sich nur die Tränen ab. »Weine nicht, mein geliebtes Kind.« Der Vater griff nach ihrer Hand, betrachtete sie kummervoll. »Was dir wichtig ist, hast du ja schon zusammengepackt, wie ich draußen im Leiterwagen gesehen habe.« Er klang eher zerknirscht als vorwurfsvoll. »Komm. Ich bringe dich und deine Schwester nach Heidelberg.« Er zog sie hoch.
    Susanna sperrte Mund und Augen auf, sie begriff gar nichts mehr. Ihre Miene war eine einzige Frage.
    »Der geharnischte Mönch Tilly ist nicht mehr weit«, sagte der Vater mit hohler Stimme. »Seine Kroaten gehen bereits auf Weinheim los, um es für die Papisten zurückzuholen. Und am Neckar brennen die ersten Dörfer. Komm schnell mit mir, Susanna. Hinter den Mauern Heidelbergs seid ihr Mädchen sicher. Ihr werdet beim Tuchmacher-Onkel wohnen.«
    Er zog sie aus der Vitus-Kirche. Draußen packte er die Deichsel des Leiterwagens mit der Linken, mit der Rechten hielt er Susanna fest. Das Sacktuch über dem Wagen war zur Hälfte zusammengerafft. Der Vater wusste Bescheid.
    Mit großen Schritten hastete er durch die Gassen, über die Dossenheimer Landstraße und die Mühltalstraße hinauf. Knochig und verbissen sah sein Gesicht aus. Seine Blicke flogen nach rechts und links. Kaum einen Gruß brachte er über die fahlen Lippen.
    Die Angst hockte dem Vater im Nacken.
    Susanna stolperte neben ihm her. Ihre Brust fühlte sich an wie mit kaltem Stein gefüllt. Nirgendwo spielten mehr Kinder. Vielleicht war alles vorherbestimmt so, vielleicht hatte sie auch einfach zu lange gezögert.

10
    K inder!« Stephan schnitt ein Gesicht, als müsste er selbst zum Zahnbrechen auf eine Bühne hinauf. »Wieder nur ein paar Kinder!« Er sprang vom Wagen, stieß einen kroatischen Fluch aus, riss sich den schönen Hut des Herrn Pantalon vom Kopf und hüllte sich fest in dessen feinen Umhang. Fluchend stapfte er so am Bühnenwagen hin und her, während der Dachshund kläffend zu seinen Füßen tänzelte, der englische Riese winselte, Bela brummte, der Affe und die drei Vögel auf ihre Weise zu lärmen begannen und die alte Cura den Rachen aufriss und gähnte.
    David schob den Vorhang ein wenig zur Seite und zählte nach: Vier Jungen und fünf Mädchen standen vor der Bühne. Noch weniger als am letzten Heidelberger Markttag Ende

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