Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Feuer. Und wieder die tiefe Stimme: »Hacker, dieser Galgenstrick, ist’s gewesen – guckt doch in seiner Manteltasche nach.«
Jetzt richteten sich die Blicke aller auf Franz Hacker, und etliche Männer begannen zu feixen. David hatte am meisten Spaß. Wie die meisten Männer an den Feuern wusste er ja Bescheid: Der andere Feldwebel hatte ihm die Wette angetragen und gleich drei Kreuzer gegen Rübelrap gesetzt.
Der kleine Franz Hacker saß auf einmal kerzengerade an der Feuerstelle, durchwühlte sämtliche Taschen, schnitt eine sehr verdrossene Miene und zog schließlich die Tabakspfeife seines Unteroffiziers aus dem Mantel.
Applaus erhob sich. Die Männer, die von der Wette wussten, lachten nun laut, und die noch nichts von ihr gehört hatten, ließen sich von den anderen erklären, was geschehen war. Grölende Heiterkeit machte sich breit.
»Ruhe!«, donnerte auf einmal eine Stimme vom Eingang her. Die Köpfe fuhren herum. Einige Offiziere bückten sich durch den Eingang, und die kurpfälzischen Soldaten an den Feuern standen auf, nahmen Haltung an und grüßten ehrerbietig.
Sofort erkannte David den englischen Schlosskommandanten Sir Gerard Herbert und den Baron Rudolph von Mosbach an seiner Seite, Capitän der Schlosswache.
»Was ist hier los?« Von Mosbach schritt zu seinem Fähnrich Franz Hacker.
Der Stadtgouverneur Heinrich van der Merven schaute beinahe täglich an der Westmauer und am Trutzkaiser vorbei, um sich ein Bild vom Fortgang der Arbeiten zu machen, und wenn er nicht persönlich hierherkam, dann schickte er den Schlosskommandanten oder den Baron von Mosbach. Heute hatte er beide geschickt.
»Man hat dem Feldwebel seine Tabakspfeife gestohlen, mon Capitän«, meldete Hacker. »Das kann nur der da getan haben.« Er deutete auf Rübelrap. »Und mir hat dieser Tagdieb die Pfeife heimlich zugesteckt …«
»Eine Wette, Captain!« Der rauchende Feldwebel gestikulierte beschwörend. »Nur ein Spaß! Ich hab mit dem Gaukler gewettet, dass der Riese es nicht schafft, dem Kamerad die Pfeife aus der Tasche zu ziehen.« Jetzt deutete er auf David. Der konnte nur nicken, denn von Mosbachs strenge Miene verhieß nichts Gutes.
»Kann Er es also nicht lassen!«, rief von Mosbach. Er war in einen langen schwarzen Fellmantel gehüllt. »Selbst hier muss Er fortfahren zu stehlen. Selbst hier wagt Er, die Soldaten des Kurfürsten zu berauben.«
»Nur ein Gauklerstück!« David fand seine Sprache wieder und stand auf. »Habt Ihr es nicht gehört? Nur ein Spaß war das!«
»Er redet, wenn Er gefragt wird, und hält ansonsten das Maul!«, donnerte der Capitän. Und wieder an Rübelrap gewandt: »Weiß Er denn nicht, an welch dünnem Faden Sein Leben hängt? Ist Er denn wirklich so dumm? Dieser Diebstahl wird dem Pfalzgrafen berichtet, damit sein durchlauchtigstes Urteil auch angemessen ausfallen wird.« Er drehte sich nach Hacker um. »Legt dem Goliath Ketten an! Doch weit genug, damit er laufen und arbeiten kann.«
Franz Hacker, seltsam heiter auf einmal, bestätigte den Befehl – und David fiel es wie eine schwarze Binde von den Augen: Der kleine Fähnrich aus dem Schwabenland hatte von der Wette gehört und den Ahnungslosen gemimt, als ihm Rübelrap klammheimlich die Pfeife des Feldwebels in die Manteltasche geschmuggelt hatte. Es war nicht der Zufall gewesen, der den Baron ausgerechnet jetzt hierhergeführt hatte – Hacker hatte ihm einen Boten geschickt.
David biss die Zähne zusammen, dass es schmerzte.
Von Mosbach und die englischen Offiziere verschwanden so schnell, wie sie aufgetaucht waren, und ließen bedrückt schweigende Soldaten und Arbeiter zurück. Nur der Fähnrich Franz Hacker zeigte sich weder niedergeschlagen noch stumm. Er gab Befehl, dass man Rübelrap abführte und ihm Ketten an Hände und Füße schmiedete.
Am Abend gab es einen Sonnenuntergang, so feurig, als würden Himmel und Horizont brennen. Die Männer standen auf der Mauer und starrten nach Westen; die lustige Wette, der Baron und Rübelraps Ketten waren vergessen.
Nicht für David.
Als es dunkel wurde, wickelte er sich neben dem Bauchredner in seine Decken. Sie schliefen mit den Arbeitern in einer steinernen Baracke, in der abends und morgens Feuer in zwei Öfen angezündet wurde. Rübelrap lag auf dem Rücken. Die zusammengeketteten Handgelenke über der Brust gekreuzt und die riesenhaften Hände zu Fäusten geballt, starrte er an die Decke. David flüsterte: »Dafür wird der feine Herr bezahlen, mein Freund, das
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