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Der gefährliche Traum (German Edition)

Der gefährliche Traum (German Edition)

Titel: Der gefährliche Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Frieser
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des Raumes stand ein Tisch, auf dem schmutzige Holzschalen lagen. Fliegen hatten sich in ihnen niedergelassen und befreiten sie von den Breirückständen. Auf dem Boden stolzierten magere Hühner umher und hinterließen gackernd ihren Unrat.
    »Wer seid ihr?«, fragte er die beiden Kinder, bekam aber keine Antwort.
    »Könnt ihr mich nicht hören?« Wieder erhielt Max keine Auskunft. »He, ihr zwei! Warum sagt ihr nichts? Wo bin ich hier? Wie bin ich hierhergekommen?« Frage um Frage rief er den beiden Kindern zu, aber sie antworteten nicht. Er wollte sich gerade zu ihnen hinunterbeugen, als die Tür aufging. Ein Junge in seinem Alter mit ungekämmten, struppigen braunen Haaren und ebenso ärmlich gekleidet wurde brutal in die Hütte gestoßen. Er trug einen Stapel Holzscheite, den er nun bei seinem Sturz fallen ließ. Sofort bekam er dafür von dem Mann, der ihm folgte, einen weiteren Tritt mit seinen riesigen Lederstiefeln verpasst.
    »Du ungeschickter Tölpel!«, brüllte der Mann. »Du bist wie deine stinkende Mutter zu nichts zu gebrauchen.« Dann beugte er sich zu ihm hinunter, packte den Jungen vorne am Hemd und zog ihn zu sich heran. »Wage es ja nicht, wie sie davonzulaufen. Ich garantiere dir, einer meiner Leute wird dich finden und wieder zurückbringen. Und dann gnade dir Gott!« Er ließ den Jungen los. »Und jetzt sieh zu, dass du uns etwas zu essen machst!«
    Max konnte beinahe jeden Tritt spüren, den der Junge bekommen hatte. Er spürte sie auf seinem Rücken und auf seinem Allerwertesten. Der Mann machte ihm ungeheure Angst. Er war groß und kräftig, etwa dreißig Jahre alt, unrasiert und hatte kurz geschnittenes dunkles Haar. Sein pockennarbiges Gesicht wies zahlreiche Scharten auf. Er trug eine lederne Kappe, eine lange abgetragene Hose und eine kostbar aussehende rotbraune Weste mit zwei glänzenden Knopfreihen, die nicht zur übrigen Kleidung passen wollte.
    Max ging blitzschnell in der dunkelsten Ecke des Raumes hinter einem Hackklotz in Deckung und betete, dass ihn niemand sah.
    Jetzt betraten noch mehr Männer den Raum. Sie waren nicht ganz so vornehm gekleidet. Manche hatten Brandnarben in ihren Gesichtern oder gespaltene Ohrläppchen.
    Verbrecher!, schoss es Max durch den Kopf. Verbrecher von der übelsten Sorte. Die meisten von ihnen hatten offenbar schon Bekanntschaft mit dem Gesetz gemacht. Brandeisen und Messer von Henkern hatten ihre Spuren hinterlassen und ihre Missetaten für jedermann kenntlich gemacht.
    Max wollte nur noch eins, raus hier, und zwar schnell. Doch noch wagte er sich nicht aus seiner Deckung. Das Warten erschien ihm wie ein halbes Leben. Irgendwann aber saßen alle um den Tisch und prosteten sich lärmend mit Wein zu. Der Zeitpunkt zur Flucht war ideal. Max wollte sich gerade aus seinem Versteck wagen, als plötzlich der Junge an den Hackklotz zu ihm trat. In seiner linken Hand hielt er ein Stück Fleisch, in seiner rechten ein scharfes Beil. Max stockte der Atem. Der Junge musste ihn sehen. Er stand genau über ihm, doch nichts deutete darauf hin, dass er ihn erkannte.
    »Bitte, verrate mich nicht!«, flüsterte er dem Jungen zu.
    Aber dieser hob nur ungerührt das Beil und schlug zu. Max zuckte zusammen, doch die Klinge traf das Fleisch. Wie die beiden jüngeren Kinder nahm auch der ältere Junge ihn nicht wahr. Nachdem das Fleisch zerkleinert war, ging er wieder zum Herd zurück und ließ Max in seinem Versteck allein.
    Inzwischen war das Grölen der Männer lauter geworden. Niemand würde ihn beachten.
    Auf allen vieren kroch Max zur Tür. Er musste sich strecken, um mit den Fingerspitzen den hölzernen Türriegel anzuheben. Mit letzter Kraft schaffte er es.
    Die Tür schwang auf und die tief stehende Sonne blendete ihn. Dann wachte er schweißgebadet auf.

Am Kalten Stein
    Z um Glück war es Samstag und kein Wecker zwang Max, schon um 6 . 30 Uhr aufzustehen. Nachdem er aus dem merkwürdigen Traum heute Nacht hochgeschreckt war, konnte er lange nicht einschlafen. Nun lag er wach, aber immer noch hundemüde unter seiner Bettdecke und versteckte sich vor der morgendlichen Helligkeit. Max’ Gedanken waren bei seinem Traum. Alles hatte sich so echt angefühlt. Er konnte sich noch an jedes Detail erinnern. Sonst blieben von einem Traum meist nur Erinnerungsfetzen oder Gefühle zurück, aber dieses Mal war es anders. Als wäre er wirklich in dieser schäbigen Hütte gewesen. Fast glaubte er, die Tritte zu spüren, die der Junge einstecken musste. Schuld daran war

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