Der gefährliche Traum (German Edition)
vom Rad. »Soll das heißen, dir ist auch das Schicksal der kleinen Friederike von Hohenstein egal?« Sie klang ehrlich empört. »Und wenn deine Träume doch etwas zu bedeuten haben? Wenn du doch ein Nachfahre dieser Räuber bist und jemanden aus meiner Familie aus höchster Not retten sollst?«
Max, der Fritzi fast ins Hinterrad gerauscht wäre, stieg nun ebenfalls ab. »Wenn die ganze Sache nur meiner Fantasie entsprungen ist, besteht doch gar keine Gefahr«, verteidigte er sich. »Und außerdem ist diese Friederike schon seit ein paar Jahrhunderten tot und daran kann ich sowieso nichts ändern.«
Doch Fritzi ließ nicht locker. »Du hast es mir hoch und heilig versprochen. Ich bestehe darauf, dass du dein Versprechen einlöst und mit mir heute Nachmittag zu deinem Vater gehst. Wenn sich herausstellt, dass du keine Vorfahren aus der Gegend hast, erkläre ich
Operation Friederike
für beendet. Falls aber irgendein Urahn aus dem Spessart stammt, ziehst du mit mir die Sache durch.«
Fritzi sah Max flehentlich an. Er spürte, dass ihr die Sache wichtig war. Vielleicht hatte auch sie Angst, wenn auch nicht vor dem Schwarzen Hund, sondern eher davor, dass sich die Überlieferung erfüllen könnte und jemand aus ihrer Familie in Gefahr war, vielleicht sogar sie selbst. Erst gestern hatte Fritzi ihn einen Freund genannt, sollte er sich dann nicht auch wie einer verhalten?
»Also gut«, gab Max nach. »Gleich nach der Schule gehen wir zu meinem Vater ins Schlossarchiv.«
Dieses Mal benutzte Max nicht den Dienstboteneingang, um zu einem der Diensträume seines Vaters zu gelangen. Er lief einfach Fritzi hinterher, die die Touristengruppe ignorierte, die in übergroßen Filzpantoffeln durch die Räume des Schlosses schlurfte. Ihre neugierigen Blicke störten sie nicht im Geringsten, aber Max fühlte sich regelrecht von ihnen durchbohrt.
»Das Archiv ist am anderen Ende des Schlosses«, erklärte Fritzi. »Wir könnten zwar auch den Dienstbotenweg gehen, aber das dauert ewig. Das Archiv liegt übrigens in allen Schlössern möglichst weit weg von der früheren Küche.«
»Warum das?«, fragte Max neugierig.
»Wegen der Brandgefahr. Früher wurde doch auf offenem Feuer gekocht und im Archiv lagern sämtliche Besitzurkunden. Deswegen auch diese Stahltür.« Fritzi deutete nach vorne.
»Ich sehe nur eine Tür, die wie jede andere aussieht.«
»Schon, aber die ist nur Tarnung.« Sie öffnete die Tür, und dahinter kam tatsächlich eine zweite Tür aus Stahl zum Vorschein, die sie forsch aufriss.
»Siehst du!« Ohne zu zögern, betrat Fritzi den Raum dahinter und rief nach Max’ Vater. »Herr Schwarz! Wir sind es nur, Ihr Sohn und ich, Fritzi!«
»Mein Gott, ist das hier eine Unordnung!«, rief Max erstaunt und sah sich um. Entlang der Wände stapelte sich in Regalen ein Wirrwarr von überquellenden Kisten, Kartons und Ordnern. »Was um alles in der Welt steht auf diesen ganzen Zetteln?«
»Hallo, Kinder, das freut mich aber, dass ihr mich mal in meinem Reich besuchen kommt. Das, was du hier siehst, Max, sind alte Schriftstücke, Urkunden, Korrespondenzen, vor allem wirtschaftlicher und juristischer Natur. In ihnen ist der Grundbesitz der Familie von Hohenstein vermerkt, die Zehnteinnahmen, Pachtverträge, Rechtsstreitigkeiten und solche Dinge.«
Max entdeckte auf einem Tisch alte Landkarten, auf denen in grünen, gelben und roten Farben Hausgrundrisse, Äcker und Wälder verzeichnet waren.
»Deinen Job möchte ich ehrlich gesagt nicht machen. Bis du das alles durchgeackert hast, gehst du schon in Rente«, meinte Max erschüttert.
»Ach was!«, wiegelte sein Vater ab. »Es sieht schlimmer aus, als es ist, auch wenn ich auf die mumifizierte Ratte, die unter einem Papierstapel zum Vorschein kam, gut hätte verzichten können. Zum Glück hat Anfang des letzten Jahrhunderts ein Dorflehrer etwas Ordnung in die Urkunden gebracht. Darauf kann ich gut aufbauen.«
Max und Fritzi wurden sofort hellhörig. »Hieß der zufällig Nohris?«, riefen beide gleichzeitig.
Max’ Vater sah sie erstaunt an. »Ja. Woher kennt ihr seinen Namen?«
»Ich hab sein Buch in der Bibliothek gefunden«, erklärte Max. »Und außerdem haben wir mit seiner Tochter gesprochen. Sie hilft in der Gemeindebücherei aus.«
»Wirklich? Seine Tochter lebt noch? Sie muss ja schon fast hundert sein. Ich muss sie unbedingt kennenlernen. Sie weiß bestimmt einiges über den Ort und das Schloss.«
»Das kannst du laut sagen«, platzte Max heraus und
Weitere Kostenlose Bücher