Der gefährliche Traum (German Edition)
die?«
»Natürlich!«, lachte Frau Nohris. »Mein Vater, der früher Lehrer in diesem Schulhaus war, hatte sogar Nachforschungen dazu angestellt. Er hat die historischen Ereignisse in einem Buch festgehalten.«
Max begann aufgeregt, in seinem Rucksack zu kramen. »Ist es zufällig das hier?«, fragte er und hielt das Buch hoch, das ihm in der Schlossbibliothek vor die Füße gefallen war.
»Ja!«, rief die alte Dame erfreut. Beinahe zärtlich nahm sie das Buch in ihre Hände und blätterte darin. »Ich erinnere mich noch gut daran, wie mein Vater die Schriftquellen im Schlossarchiv durchstöbert hat. Manchmal hat er mich mit ins Schloss genommen. Ich fand das als kleines Mädchen so aufregend.« Frau Nohris’ Blick war weit in die Ferne gerückt. »Wie herrlich die Räume waren. Baron von Hohenstein und seine Familie habe ich richtig beneidet.« Sie kicherte wie ein kleines Mädchen. »Erst neulich habe ich eine Schlossführung mitgemacht. Alles war noch so, wie ich es in Erinnerung hatte. Ist das nicht fabelhaft?«
»Nein!«, widersprach Fritzi barsch. »Sie müssen dort ja nicht leben. Manchmal komme ich mir darin vor, als wäre ich in der Vergangenheit gefangen. Überall nur altes Zeug! Niemals wird irgendetwas weggeworfen. Es könnte ja mal einem Vorfahren gehört haben.« Fritzi verdrehte die Augen. »Als ob uns ihre Geister nachts zur Strafe besuchen würden.«
Frau Nohris sah das Mädchen neugierig an. Dann klatschte sie begeistert in die Hände.
»Wo habe ich nur meine Augen gehabt? Du musst die Tochter des kleinen Christian sein. Heißt du auch Friederike?«
Fritzi nickte. »Aber alle nennen mich Fritzi. Und das ist mein Freund Maximilian, aber zu dem dürfen Sie Max sagen. Sein Vater ist der neue Schlossarchivar.«
»Es freut mich sehr, euch beide kennenzulernen.« Sie strich dabei Fritzi zärtlich über die Wange. »Als ich so alt war wie du, durfte ich ab und zu mit deinem Opa und seiner Schwester spielen. Diese Ähnlichkeit hätte mir gleich auffallen müssen. Als Kinder haben wir am liebsten auf dem Dachboden gespielt. Wie du schon sagtest, nichts wird weggeworfen. Wenn, dann landet es auf dem Speicher. Er war voller alter Möbel, Koffer und Kisten mit altmodischen Kleidern und Hüten, Spielzeug, rostiger Degen und kaputter Gemälde. Ich erinnere mich sogar an ein löchriges Löwenfell. Wir hatten damit Großwildsafari gespielt. Dein Opa war natürlich der Jäger und ich und seine Schwester die feinen Damen, die ihn begleiteten. Wir zogen dann immer alte Kleider an und setzten viel zu große Damenhüte auf.« Die alte Frau lachte verzückt. »Wir hatten so viel Spaß. Ich hoffe, du warst auch schon auf dem Dachboden.«
Fritzi schüttelte den Kopf.
»Dann musst du es auf der Stelle nachholen. Du ahnst ja nicht, wie viele Abenteuer dort zu finden sind.«
Frau Nohris ging zu einem Tisch mit Stühlen und setzte sich. »Ich bin nicht mehr die Jüngste. So lange stehen fällt meinen alten Knochen schwer. Kommt, setzt euch zu mir. Und dann erzählt, was ihr wissen wollt.«
Wieder war es Max, der den Anfang machte. »Haben Sie schon mal etwas von einem schwarzen Hund gehört, vor allem in Zusammenhang mit der Entführung von Friederike von Hohenstein?«
»Ihr meint die Schwarzen Hunde aus den Sagen?«
Max und Fritzi nickten.
»Nun, Schwarze Hunde gibt es in vielen Kulturen, aber hauptsächlich im britischen Volksglauben. Sie sollen größer als normale Hunde sein, ein schwarzes struppiges Fell und leuchtend rote Augen haben. Weil sie meist an alten Kreuzungen, Pfaden und Hinrichtungsstätten auftauchen, glauben die Menschen, dass sie den Tod bringen.«
Max schluckte schwer. Die Beschreibung passte haargenau auf seinen Hund.
»Sind diese Schwarzen Hunde denn alle böse?«, fragte Fritzi.
»Ich fürchte ja. Aber ich habe auch schon von guten Schwarzen Hunden gelesen. Die Eltern in Somerset glauben, dass sie auf ihre Kinder aufpassen. Und in anderen Kulturen werden sie für Wächter der Unterwelt gehalten, die die Lebenden und die Toten daran hindern, die Grenzen zu überschreiten. Als Wanderer zwischen dem Diesseits und dem Jenseits können sie aber auch Begleiter der Toten in die Unterwelt sein oder zwischen den Seelen der Toten und den Lebenden vermitteln.«
Max schwirrte der Kopf. Warum wusste Frau Nohris so viel über das Thema?
Die alte Frau lachte plötzlich, als könnte sie Gedanken lesen. »Vielleicht sollte ich euch sagen, dass ich eine Vorliebe für Gruselgestalten habe. Ich weiß
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