Der gefährliche Traum (German Edition)
Adam hat schon recht, wenn er mich einen feigen Jammerlappen schimpft.«
Max tat der Junge leid. Offenbar hatte er versucht, Friederike von Hohenstein zu warnen, aber die Wachen hatten seinen Hund so sehr gefürchtet, dass sie ihn gar nicht nah genug an sich rangelassen hatten, um die Botschaft überhaupt zu sehen. Der Dorfpfarrer hatte also die Wahrheit geschrieben, auch wenn es kein Geisterhund war.
»Du bist nicht schuld!«, rief er Andreas zu. »Hörst du! Dein Vater ist schuld, nicht du! Was kannst du für die Dummheit der Leute? Sie hatten einfach nur Angst vor deinem Hund.«
Andreas stand abrupt auf, als hätten die aufmunternden Worte ihn erreicht.
»Lass uns zu der Kleinen gehen und sie wenigstens etwas trösten.«
Max war sich nicht sicher, ob der Junge ihn oder seinen vierbeinigen Freund meinte.
»Das kannst du vergessen, Andreas Schwarz, oder wie immer du heißt!«, rief er dem Jungen hinterher. »Ich werde einen Teufel tun und wieder zu der Räuberhöhle zurückkehren.«
Doch statt aufzuwachen, stand Max plötzlich vor der Hütte des Räuberhauptmanns. Sie sah außen genauso schäbig aus wie innen. Das Fundament des Hauses bestand aus unregelmäßigen Steinquadern. Darüber erhob sich Fachwerk, an dem der Lehmverputz bereits abbröckelte. Das strohgedeckte Dach wirkte ebenfalls löcherig. Um das Haus herum war dichter, undurchdringlicher Wald. Nur ein sehr schmaler, kaum sichtbarer Pfad führte zu dem Unterschlupf.
Die Tür der Hütte öffnete sich und Andreas schlich heraus. In der einen Hand hielt er Brot, in der anderen einen hölzernen Becher. Der Junge blieb kurz stehen und sah sich verstohlen um, dann huschte er davon. Max folgte ihm.
Hinter dem Haus erstreckte sich ein mit Bäumen bewachsener Hang, in den vor langer Zeit ein Vorratskeller gegraben worden war. Die Tür hing schief, der hölzerne Türsturz war in der Mitte eingerissen und drohte jederzeit endgültig auseinanderzubrechen.
Der Räuberjunge schob den Riegel zur Seite und öffnete die Tür. Sofort schlug ihnen ein feuchter, erdiger Geruch entgegen. Noch einmal sah sich Andreas um, dann verschwand er in der Dunkelheit des Kellers. Sollte Max ihm folgen? Hatte er überhaupt eine Wahl? Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und ging hinterher.
Kaum hatte Max den Keller betreten, wurde er von der Finsternis verschluckt. Stufen führten in die Tiefe hinab. Zaghaft tastete er sich vorwärts. Unten angekommen, hatten sich seine Augen an das düstere Licht gewöhnt. Andreas war gerade dabei, eine Kerze zu entzünden. Ihr winziges Licht warf unheimliche Schatten auf das Gewölbe. Max erkannte Ziegelsteine und losen Mörtel, durch den sich zahlreiche Wurzeln einen Weg gebahnt hatten. An einigen Stellen bröckelte es bereits.
»Du musst keine Angst vor mir haben«, hörte er Andreas sagen, und jetzt erst bemerkte er die zierliche, kleine Gestalt. Es war Friederike von Hohenstein, die in der hinteren Ecke des Kellers kauerte. Ihre Hände und Beine waren gefesselt, ihr tränennasses Gesicht schmutzverschmiert und ihr langes blondes Haar hing zerzaust über den Schultern. Auch ihr hübsches weißes Kleid mit den vielen winzigen Blümchen und Rüschen war dreckig und an einigen Stellen eingerissen. Max merkte, wie er die Hände zu Fäusten ballte. »Der Teufel soll dich holen, Adam!«, murmelte er.
Andreas kniete sich zu dem Mädchen hinunter. »Warte, ich löse dir die Handfessel, damit du etwas essen und trinken kannst!« Er sprach ruhig und freundlich mit Friederike, die ihm schluchzend die gebundenen Hände hinhielt.
»Die Kerze lasse ich dir auch hier«, erklärte er. »Aber jetzt trink erst mal einen Schluck.«
»Ich prügel dich grün und blau, du räudiger Verräter!«
Max drehte sich erschrocken um. Auch Andreas ließ vor Schreck den Becher fallen. Riesig und furchteinflößend stand sein Vater im Eingang. Mit energischen Schritten ging er auf seinen Sohn zu und verpasste ihm eine Ohrfeige. Andreas schlug gegen die Wand und ging zu Boden.
»Steh gefälligst auf, wenn ich mit dir rede!«, brüllte er und trat ihn mit dem Fuß.
»Lass ihn in Ruhe!«, schrie Max verzweifelt. Tränen liefen nun auch ihm über die Wangen. Tatenlos musste er mit ansehen, wie Andreas versuchte, aufzustehen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
»Wir haben selbst kaum etwas zu essen und Kerzen sind teuer!« Adam packte Andreas am Hemdkragen und zog ihn zu sich hoch. »Wehe, du lässt sie frei, du Weichling! Ich schlag dich tot, da kannst du
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