Der gefährliche Traum (German Edition)
sein Vater sah ihn verwundert an.
»Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund für euren Besuch?«
Fritzi nickte. »Ja, wir wollten etwas über Max’ Vorfahren herausfinden.«
Der Archivar strahlte über das ganze Gesicht. »Wie kommt es zu dem plötzlichen Sinneswandel? Bisher hast du meine Familienforschung immer nur zum Gähnen langweilig gefunden.«
»Ist es ja eigentlich immer noch«, gestand Max. »Wir wollen nur etwas über meine Vorfahren im 17 . Jahrhundert wissen, wie sie hießen und wo sie gelebt haben.«
»Ob du es glaubst oder nicht, aber erst gestern auf der Tagung in Würzburg hatte ich ein wenig Zeit und Gelegenheit im dortigen Archiv etwas nachzuforschen. Meine letzte Spur hatte mich nämlich dorthin geführt.«
Max spürte, wie sich seine Brust zuschnürte. Er ahnte fast, was nun kommen würde, und war sich sicher, dass es ihm nicht gefiel.
»Mir ist der bislang älteste Nachweis unserer Familie gelungen.« Herr Schwarz strahlte, während Max immer blasser um die Nase wurde. » 1649 wurden drei Brüder im Alter von drei, fünf und zwölf Jahren in das Waisenhaus von Würzburg eingeliefert. Aus der Urkunde geht hervor, dass sie sozial verwahrlost waren und aus dem Spessart stammten. Der Älteste von ihnen hieß Andreas Schwarz. Von ihm stammen wir ab.«
Max war kreidebleich geworden, während Fritzis Wangen vor Aufregung glühten.
»
Sozial verwahrlost
– bedeutet das, sie stammen aus einer Räuberfamilie aus dem Spessart?«, fragte sie.
»Das kann schon sein. Vor allem im 18 . Jahrhundert hat man ganze Räuberfamilien zur Umerziehung in Arbeitshäuser gesteckt. Andererseits gab es nach dem Dreißigjährigen Krieg ganze Heerscharen sozial verwahrloster Menschen, die ihr Zuhause und ihre Familien verloren hatten. Ich fürchte, die Heime waren voll mit Kindern, die Opfer des Krieges waren.«
»Aber es könnte doch sein, dass Andreas’ Vater einer der Räuber war, der Friederike von Hohenstein entführt hat. Die Jahreszahl würde passen«, erwiderte Fritzi beinahe trotzig.
Max’ Vater sah sie erstaunt an. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich habe zwar von der Entführung gelesen, aber wann genau die war, hätte ich nicht sagen können. Bist du dir sicher?«
Fritzi nickte ernst. » 17 . Juli 1649 .«
»Stell dir vor, Max«, rief sein Vater begeistert. »Dein Ururururgroßvater war vielleicht ein Spessarträuber, möglicherweise sogar ein berüchtigter Räuberhauptmann! Ich muss mir unbedingt die Gerichtsurkunden zu dieser Entführung ansehen. Vielleicht hatte ja einer der Räuber den gleichen Namen.«
Oh Gott!, dachte Max. Das Ganze entwickelte sich irgendwie zu einem Albtraum. Krampfhaft überlegte er, ob in dem Buch des Dorflehrers die Namen der Räuber erwähnt wurden, aber er konnte sich nicht erinnern. Wenn sein Familienname aufgetaucht wäre, wäre ihm das ganz sicher aufgefallen.
»Du hast doch das Buch bestimmt dabei, Max«, mischte sich plötzlich Fritzi ein, griff nach seinem Rucksack und begann, darin zu kramen. »Hier ist es! Lass uns doch mal nachsehen, was der Vater von Frau Nohris schreibt.« Und schon blätterte sie das Buch durch, bis sie die Stelle gefunden hatte. Ihre Augen huschten nur so über den Text, dann schüttelte sie enttäuscht den Kopf. »Nein, da steht nur ganz am Schluss des Kapitels in einem Anhang:
Die Gerichtsakten nennen als Hauptschuldige einen Räuberhauptmann Adam, die Räuber Andres Merten, genannt Kesselflicker, Henri Renoir aus Frankreich, genannt Welscher, Peter Klein, genannt Heidenpeter, Mathias Pfister, genannt Krämermathes, Veit Goerzel, Georg Schreiner sowie Christian und Franz Holzer
.«
Max’ Beine wurden weich. Am liebsten hätte er sich übergeben. Diese Namen kannte er alle aus seinen Träumen. Konnte das noch Zufall sein? Konnte sein Unterbewusstsein sich diese Namen gemerkt und in seine Träume eingewoben haben? Nein. Er war sich ganz sicher, das Kleingedruckte nicht gelesen zu haben.
»Vielleicht steht ja in den Originalurkunden doch noch mehr. Oder ich sehe in anderen Schriftquellen nach, ob diese Namen auftauchen. Vielleicht sind sie ja davor schon mal aktenkundig geworden«, meinte Max’ Vater, als er Fritzis enttäuschtes Gesicht sah. »Sobald ich etwas Zeit habe, werde ich dem nachgehen. Und wenn ich etwas finde, sage ich euch Bescheid, einverstanden?«
Beide nickten, auch wenn Max inständig hoffte, dass sein Vater niemals Zeit dafür haben würde.
Als sie wieder im Schlosshof waren, platzte Fritzi nur so
Weitere Kostenlose Bücher