Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
dafür ausschimpfen konnte. Er war sich sicher, dass die Lichtung, die Mary gestern beschrieben hatte, etwas mit dem Fluch zu tun hatte. Gram hatte früher immer gesagt, dass sie solche Dinge in den Knochen spüren konnte. Als Kinder hatten die Zwillinge geglaubt, dass es nur auf die Arthritis zurückzuführen war, aber jetzt als Erwachsener wusste Tristan genau, wovon sie gesprochen hatte.
Im Stall fragte er nach Josh und wurde zu einer der großen Boxen geschickt. Als er über die Tür lugte, sah er zu seiner Überraschung einen jungen Mann mit lockigen, braunen Haaren und großen, blauen Augen. Er hatte jemanden in Benjamins Alter erwartet oder noch älter, aber Josh war sicher grade mal zwanzig.
»Josh?«, fragte er leise, um den großen Hengst in der Box nicht zu erschrecken.
Der junge Mann richtete sich auf, reichte Tristan aber auch dann nur gerade mal bis zur Schulter.
»Jap, das bin ich. Sind Sie Tristan?«
Tristan lächelte und streckte die Hand aus. »Hi… sag ruhig Du.«
»Schön, dich kennen zu lernen. Wir haben schon mitbekommen, dass du oben im Hauptgebäude wohnst. Mr. Benjamin hat gesagt, du darfst dir jedes Pferd aussuchen, das du willst. Mary meinte, dass du zu dem alten Jasper-Gelände reiten willst?« Josh hob die Werkzeuge auf, mit denen er gerade die Pferdehufe bearbeitet hatte und verließ die Box. Mit zwei Fingern öffnete er die Tür und schob danach den Riegel wieder vor.
»Jasper-Gelände? Mary hat doch gesagt, es gehört dem Bezirk.« Tristan nahm Josh den Hocker ab, den er sich unter den Arm geklemmt hatte, und ging Seite an Seite mit ihm in die Sattelkammer und anschließend nach draußen.
Josh lachte. »Stimmt wahrscheinlich auch, aber als ich noch klein war, haben die Jaspers dort gewohnt. Sie hatten eine Tochter in meinem Alter, die mit mir zur Schule gegangen ist, aber sie starb mit acht. Ich schätze, deshalb wird es für mich immer ihr Zuhause sein.«
»Das tut mir leid«, bedauerte Tristan. Es war immer traurig, wenn ein Kind starb. »Glaubst du, du kannst ein Pferd für mich auftreiben, das leicht zu händeln ist und den Weg allein findet?«
»Ich darf den Rest des Monats von Bohnen und trockenem Brot leben, wenn ich dir so eins gebe. Mary hat mir quasi befohlen, dich zu begleiten und dafür zu sorgen, dass dir nichts passiert. Und niemand, der weiß, was gut für ihn ist, widerspricht Mary«, lachte Josh. »Ich hab‘ schon zwei Pferde gesattelt. Mary meinte, du bist schon mal geritten, bist aber vielleicht ein bisschen eingerostet.«
»Ich denke, wir sollten uns auf ziemlich eingerostet einstellen, nur um sicher zu gehen.« Tristan beäugte die beiden Pferde, deren Zügel um einen der Zaunpfosten geschlungen waren. Sie waren verdammt groß.
Als Josh den zweifelnden Blick bemerkte, mit denen Tristan die Tiere bedachte, verpasste er ihm einen spielerischen Schubs gegen die Schulter und brachte ihn damit ein wenig aus dem Gleichgewicht.
»Hey, sei kein Frosch. Ja, sie sind groß, aber zumindest Maisy ist lammfromm. Fenrir ist höllisch zickig und braucht dringend Bewegung. Wen willst du?«, neckte er Tristan.
Tristan rollte mit den Augen. »Was glaubst du denn?«
Josh lachte, wurde dann aber wieder ernst, als er Tristan mit seinem Pferd bekannt machte und noch einmal die Grundzüge des Reitens mit ihm durchging.
Während des Ritts unterhielten sie sich über belanglose Dinge und umrundeten dabei den idyllisch gelegenen See. Josh war tatsächlich älter als zwanzig, aber immer noch ein paar Jahre jünger als Tristan. Sie sprachen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einer Kindheit in England und einer in den Vereinigten Staaten, aber das einzige Thema, über das sie in eine heftige Debatte verfielen, war der Gebrauch des Wortes Football . Sie konnten sich nicht einigen, ob man es besser für die europäische oder die amerikanische Sportart verwendete. Nachdem sie jedoch einsehen mussten, dass sie hier auf keinen gemeinsamen Nenner kamen, wechselten sie zu neutraleren Gesprächsthemen.
In flachem, offenem Gelände ließ Josh ab und zu die Zügel locker, damit Fenrir galoppieren konnte, und schlug dann einen Bogen zurück zu Tristan. Nachdem er erneut von einem dieser kleinen Umwege zurückgekehrt war, lenkte er den Wallach an Maisys Seite und deutete auf eine Baumgruppe im Nordosten.
»Da drüben ist es«, sagte er. »Von der anderen Seite aus gibt es einen Feldweg. Früher muss er mal durch das ganze Gelände geführt haben, aber auf dieser Seite
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