Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
menschliche Gestalt angenommen hatte und in seine bereitgelegte Kleidung geschlüpft war, was ihm ein amüsiertes Schmunzeln entlockt hatte.
Zurück in seinem Zimmer trat Tristan ans Fenster und starrte hinaus. Gedankenverloren strich er mit einer Hand unter dem zerrissenen Hemd über seinen Bauch, wo Benjamin ihn gezeichnet hatte. Er war noch nicht dazu bereit, den Geruch des Werwolfs abzuwaschen.
Er entschied sich gegen eine Dusche und ging stattdessen zum Kleiderschrank hinüber, um sich ein neues Hemd zu suchen. Zwar hatte niemand gesagt, dass er sich zum Abendessen feiner anziehen sollte und er wusste auch, dass Benjamin bequeme Kleidung bevorzugte, aber Conrad und Mary fanden es vermutlich angemessener, wenn zumindest ein wenig auf die Etikette geachtet wurde. Zum Beispiel in Form eines Hemdes, das man noch normal zumachen konnte, überlegte Tristan und konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen, als er sich daran erinnerte, wie Benjamin es ihm vom Leib gerissen hatte.
Er lächelte immer noch, als er sich schließlich für ein älteres T-Shirt entschied und es vom Bügel nahm. Seit er ausgepackt hatte, hatte er dieses T-Shirt nicht mehr angefasst – und jetzt hing es hier, frisch gebügelt. Mary hatte sich offenbar durch seinen Schrank gekämpft und seine Kleidung gebügelt. Sie war wirklich ein Goldstück, aber sie würde ihn völlig verziehen mit ihrer Bemutterung. Wer um Himmels Willen bügelte denn T-Shirts?
Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass er vor dem Abendessen noch etwas an seinem Tagebuch arbeiten konnte. Er schnappte sich seinen Rucksack und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Dort zwang er sich dazu, sich nicht in den unzähligen Büchern zu verlieren, sondern sich auf zwei Exemplare zu beschränken, die er für hilfreich hielt.
Dann breitete er seine Notizen auf einem der größeren Tische aus. Zuerst fertigte er eine Skizze der Lichtung an und versuchte alles, was Mary, Josh und Benjamin ihm erzählt hatten, so detailliert wie möglich aufzuschreiben. Später würde er noch einmal mit ihnen sprechen, um sicherzugehen, dass er auch wirklich nichts Wichtiges vergessen hatte.
Dann presste er vorsichtig alle dreizehn Blätter, die er auf der Lichtung gesammelt hatte, und fügte Notizen über Standort und Besonderheiten hinzu, damit er sie später leichter wieder identifizieren konnte.
Vielleicht war in der Stadt ein Buch über die hier heimischen Bäume zu bekommen. Zwar wäre ihm ein Buch über die nordamerikanischen Baumarten und ihre magischen Entsprechungen lieber, doch das würde er vermutlich übers Internet bestellen müssen.
Auf der nächsten Seite erstellte Tristan einen Zeitstrahl für die Lichtung. Er wollte herausfinden, wer die Besitzer gewesen waren, wie und warum diese gewechselt hatten und welche Geschichten sonst noch mit diesem Ort verbunden waren.
Edward und Ann Northland standen am Anfang des Zeitstrahls, die Familie Jasper am Ende. Mary, Benjamin und die städtischen Archive würden mit Sicherheit den Rest ergänzen können.
Zufrieden damit, alle Informationen und Erkenntnisse der letzten anderthalb Tage zusammengetragen zu haben, blätterte er zurück und überflog noch einmal die Worte des Fluchs, den er ebenfalls ins Tagebuch eingetragen hatte, um alle Puzzleteile auf einen Blick zusammen zu haben.
Er wird die Lust einer Frau erfahren, aber niemals ihre Liebe und er wird nimmermehr Frieden finden, während er sucht, wonach sein Herz sich sehnt. So wird es beginnen, so wird es bleiben, bis die eine, die wahre Liebe, die hätte sein sollen, endlich erblüht. So möge es sein.
Tristan starrte die Worte auf der Seite an. Es schien offensichtlich, dass der Fluch gebrochen wurde, wenn sich eine Frau in Benjamin oder einen anderen erstgeborenen Sterling verliebte. Sein Herz zog sich bei dem Gedanken, dass sich jemand anderes außer ihm in Benjamin verlieben könnte, schmerzhaft zusammen.
Die Überlegung war für diese Generation allerdings ohnehin überflüssig. Benjamins Wolf hatte ihn gewählt und obwohl er Benjamin jetzt schon liebte, war er keine Frau – und ein Werwolf suchte sich seinen Partner für die Ewigkeit. Vielleicht war es möglich, Charles zu helfen, aber aufgrund seines Alters war es ziemlich unwahrscheinlich, dass er in den nächsten dreißig Tagen die Liebe seines Lebens finden würde.
Seit sie New York verlassen hatten, hatte Benjamin das zeitliche Ultimatum nicht mehr erwähnt, aber Tristan wollte nicht davon ausgehen, dass
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