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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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folgte ihm, eng an seinem rechten Bein. Vor ihnen lag jenseits des Wadis die glühende, flimmernde Wüste unter einem bleiblauen Himmel. Nur der Horizont war fahlgelb … dort raste der Sandsturm weiter über andere Oasen und schreiende Menschen. »Ihr kennt mich also wieder? Ich bin kein Toter mehr? Kein Gefangener der Wüste? Kein Ausgesetzter, der krepieren kann?«
    »O Gott, Doktor, reden Sie nicht so viel! Kommen Sie, Cathérine liegt auf dem Tisch im Behandlungszimmer, von einem Gepard zerrissen. Und alle stehen herum und wissen nicht, was sie tun sollen …«
    Dr. Bender nickte. Er bückte sich, nahm Ludwig auf seinen Arm und wandte sich zum Gehen.
    »Fahren wir, Molnar.« Er schien noch gar nicht zu begreifen, was der Ungar ihm erzählt hatte. Mit steifen Beinen stakste er zu dem kleinen Jeep, der oben am Ufer des Wadis stand. Molnar rannte hinter ihm her.
    »Wollen Sie den Köter mitnehmen?« rief er.
    Bender fuhr herum, als habe man ihn getreten. »Das ist kein Köter!« schrie er plötzlich. »Das ist das einzige Wesen, das mich liebt. Das ist ein Geschenk Gottes.«
    Er drückte Ludwig an sich, und der kleine Hund legte seine feuchte kalte Schnauze an seinen Hals und leckte ihn dankbar.
    In der Nacht erreichten sie das Lager XI.
    Alle Scheinwerfer brannten, Kolonnen gruben die Garagen und Materialschuppen aus dem Sand. In der Verwaltungsbaracke waren alle Zimmer erleuchtet. Der Sanitätswagen aus Camp XII stand vor der Tür. Man hatte in der größten Not von dort den Sanitäter geholt, den kleinen Italiener, der der Letzte seiner Familie war, den die Blutrache übriggelassen hatte.
    Den kleinen Hund an sich gedrückt, betrat Dr. Bender die Baracke. Ingenieur de Navrimont kam ihm entgegen und starrte ihn an wie einen Geist. Er hatte seit Stunden nichts getrunken, sein Magen brannte, aber er hielt durch, selbst dann, als der Italiener aus Camp XII die Wunden mit Alkohol auswusch und der Duft des Sprits wie Rosenhauch in Navrimonts Nase zog.
    »Sie lebt noch …«, stotterte er und faßte Dr. Bender an den Ärmeln. »Aber wie … Es kann nicht mehr lange dauern … Mein Gott, daß man Sie gefunden hat … Doktor, ich schwöre Ihnen … von all diesen Intrigen weiß ich so gut wie nichts …«
    Bender nickte. Er schob Navrimont zur Seite und ging in das Behandlungszimmer. Die Männer, die um die nackte Cathérine standen, wichen zurück und schienen in die Ecken zu flüchten. Der Anblick, den Bender bot, war erschreckend. Dazu der kleine Hund an seinem Hals, der mit funkelnden Augen jeden beobachtete.
    Der Italiener von Camp XII saß beim Kopf Cathérines und gab ihr eine Plasma-Infusion. Die schrecklichen Wunden waren abgedeckt, das Blut auf dem Tisch und auf dem Fußboden getrocknet.
    Bleich, kaum atmend, ausgeblutet, lag Cathérine auf dem Tisch. Sie mußte ein wunderbares Herz haben, das nach dem starken Blutverlust noch schlug.
    »Cathérine –«, sagte Dr. Bender und setzte Ludwig vorsichtig auf den kleinen Nebentisch zwischen die Mullbinden und Zellstoffrollen. »Uns beide hat die Wüste gefressen –«
    Bevor Dr. Bender die Behandlung Cathérines übernahm, brauste er sich erst den Wüstenstaub vom Körper. Dann trat er, nur mit einer Hose und einer Schürze bekleidet, mit bloßem Oberkörper, an den Tisch heran und untersuchte die Wunden. Sie sahen furchtbar aus, weil niemand sie sachgemäß behandelt hatte. Das einzige, was der Sanitäter noch hatte tun können, war die Injektion einer Morphiumspritze gegen die wahnsinnigen Wundschmerzen und das Anlegen des Plasmatropfes. Cathérine selbst war besinnungslos, sie lag bereits in einer Art Koma, aus dem es kaum noch ein Erwachen gibt. Das Wunderwerk ihres Herzens aber schlug noch immer.
    »Das war das einzige Richtige, was du tun konntest«, sagte Bender zu dem kleinen Italiener. Der Blutrachemann sah sich glücklich zu den anderen um. Stundenlang hatten sie ihn beschimpft, er sei ein Idiot, und hatten ihm gedroht, ihn aufzuhängen, wenn er nicht endlich an Cathérine etwas tat.
    Dr. Bender tat zunächst das, worauf die Männer seit Stunden gewartet hatten … er holte alle Blutspender ins Zimmer, die die gleiche Blutgruppe wie Cathérine hatten. Der Sanitäter mußte ihnen die Arme waschen und mit Alkohol einreiben, was bei Navrimont zu Verdrehungen der Augen führte. Bender sah es, ging zu einem Schrank, holte eine Flasche Pernod heraus und warf sie Navrimont zu. Der Ingenieur fing sie auf und sah Bender dankbar wie ein Hund, der einen Knochen

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