Der Gefangene der Wüste
gebetteten Äuglein glitzerten. »Aber wie wird sie schon sein? Schwarzhaarig, mit Brüsten wie aus Alabaster, und Feuer zwischen den Schenkeln wie ein Vulkan. Aber so sind sie alle, docteur, alle. Nicht nur Ihre Saada. Als ich hierherkam, vor zehn Jahren, und die Weiber sah, diese Glutaugen, diese schwingenden Hüften … ich sage Ihnen, immer war ein Wüstenkätzchen bei mir im Zimmer. Bis ich's am Herzen bekam. Ich sage Ihnen, docteur … plötzlich kam das. Atemnot, Schwindel, rumm, lag ich da. Völlig entkräftet war ich. Mein Rückgrat war wie Gummi. Da wurde ich vernünftig, schmiß die Berberweiber hinaus und erinnerte mich an meine Frau in Marseille. Seitdem geht mir's besser. Diese Araberinnen sind Vampire … sie saugen das Rückenmark aus. Für uns Europäer ist das zu gewaltig, wir gehen dabei vor die Hunde. Docteur … reißen Sie sich los von Ihrer Saada … fahren Sie nach Köln zurück, heiraten Sie dort ein Mädel vom Rhein und machen Sie irgendwo eine Praxis auf. Das bekommt uns viel besser.«
»Erst muß ich Saada finden«, sagte Dr. Bender.
»Hier? In Afrika? Oder gar drüben in Arabien? Docteur … lassen Sie mich nicht glauben, daß Ihr Gehirn in der Wüste ausgetrocknet ist. Der Scheich, ihr Vater, ist da vernünftiger … er kennt seine Landsleute. Er hat im Krankenhaus den Priester kommen und für seine Tochter ein Gebet sprechen lassen. Verstehen Sie, was das heißt? Für ihn ist sie tot –«
»Aber nicht für mich!« Dr. Bender sprang auf und lief in dem kleinen, prunkvollen Salon hin und her. Prillier beobachtete ihn wie ein großer, fetter, breitmäuliger Fisch. »Ihr Angebot, mich aus dem Vertrag zu entlassen, ist gut gemeint, Prillier. Aber ich bleibe. Ich bleibe so lange in Afrika, bis ich Saada gefunden habe!«
»Dann haben Sie jetzt eine Lebensstellung –«, sagte Prillier sarkastisch.
»Irgendwo gibt es eine Spur – ich spüre es. Auch in Afrika kann ein Mensch nicht einfach zum Nichts werden.«
»Sie ahnen gar nicht, was in Afrika alles möglich ist. Wenn Menschen sich in Nichts auflösen, dann nur hier.« Prillier hielt Bender fest, als dieser an ihm vorbeilief. »Seien Sie doch vernünftig, docteur … Wenn Sie wirklich eine Spur finden und sie führt nach Saudi Arabien … was soll das? Eher leben auf dem Mond hochentwickelte Lebewesen, als daß Sie auch nur einen Schritt nach Saudi Arabien tun, wenn die dortigen Behörden es nicht wollen. Und sie wollen nicht, das weiß ich im voraus. Dort ist die Welt nicht unsere Welt, und wir werden das nie verstehen. Eine Frau suchen … jeder Orientale wird Sie für einen Verrückten halten! Nein. Docteur … ein Vorschlag. Heiraten Sie Cathérine. Dann haben Sie eine Frau, vor der der Teufel ausreißt –«
»Das weiß ich.« Bender sah über den runden Kopf Prilliers hinweg gegen die seidenbespannte Wand. »Cathérine ist ein Naturereignis … aber Saada muß ich finden! Ich habe die moralische Pflicht dazu –«
Kopfschüttelnd verließ auch Prillier den unüberredbaren Dr. Bender. In der Bar traf er einen anderen Abteilungsleiter ›Sahara-Petrol‹. Er saß dort mit einem blonden Mädchen und stopfte Salzstangen in den Ausschnitt ihres Kleides. Prillier blieb stehen.
»Was Neues, Henri?«
»Sie haben Serrat gesehen. In der Kasbah. Aber er ist ihnen entwischt.«
»Ein verdammt unangenehmer Fall, Henri.« Prillier trank das Glas Henris leer und beachtete die kichernde Blondine mit keinem Blick. So etwas kostet 40 Francs, dachte er. Henri hat einen ordinären Geschmack. »Ich würde ihm gönnen, durchzukommen.«
»Und wohin?«
»Nach drüben, nach Frankreich. Dann gäbe es keinen Prozeß.« Er schob sich zwischen Henri und die Blondine und sagte leise zu Henri. »Kannst du dir den Prozeß denken, den sie machen? Einen Sensationsprozeß. Franzose verkauft Sklavinnen! Alle Ressentiments gegen die Weißen kommen wieder hoch. Fensterscheiben werden eingeschlagen, die Volkswut wird toben. Und dann unsere Gesellschaft im Mittelpunkt – scheußlich, sage ich. Man sollte Serrat verschwinden lassen.«
»Wir?« Henri begriff endlich. »Prillier … das ist ein glühendes Eisen.«
»Wir müssen es anpacken, Junge. Ein Prozeß Serrat wirft uns um Jahre zurück. Mademoiselle –« Prillier griff in die Tasche, stopfte der Blondine einen 50 Francs-Schein in den Busen und wedelte dann mit der Hand. »Sie verzichten heute auf eine Reitstunde. Bon soir …«
Er zog Henri, der zuerst widerstrebte, vom Barhocker, faßte ihn unter und
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