Der Gefangene der Wüste
spürte, wie es heiß in ihm hochstieg, wie sein Herz schmerzhaft zu klopfen begann. Es ist Irrsinn, redete er sich vor. Denk an die Worte Brennots. Du wirst in dieser Liebe verbrennen wie ein trockener Dornbusch. Es führt zu nichts … nur zu Komplikationen, die man vermeiden kann. Sei hart, Ralf! Nimm die Faust und schlage auf dein Herz ein! Verdammt, hau es in Stücke –
»Ich bin einem Stern nachgeritten –«, sagte Saada leise. »Einem großen Stern, der plötzlich vom Himmel fiel. Ganz langsam sank er in die Wüste, und ich bin ihm nachgeritten und kam hierher … und mein Stern leuchtet –«
Dr. Bender war es, als zerrisse in ihm der Panzer, der sein Herz daran hinderte, mit voller Kraft zu schlagen. Er umfaßte Saada, und sie hob den Kopf zu ihm, schob die Tücher vom Gesicht, und alles war so selbstverständlich, so natürlich, so voller Hingabe, daß sie sich küßten, als sei es immer so gewesen. Die Weichheit ihrer Lippen berauschte ihn, und der Duft von Rosenöl, der aus ihrer Haut drang, blies den letzten Funken von Vernunft aus seinem Hirn.
Sie umklammerten sich wie Ertrinkende, preßten sich an die Wand des Schuppens und lösten sich auf in Seligkeit.
Am Fenster der Verwaltungsbaracke stand Cathérine und starrte in die Nacht. Sie sah nur den schwachen hellen Fleck in der Schattenhöhle der Schuppen, sie ahnte das Ineinanderfließen der Körper, und sie knirschte so laut mit den Zähnen, daß ein Frieren über ihren Rücken lief.
Alles hatte sie beobachtet … das Zusammentreffen, das Wegziehen in den Schatten, die Zärtlichkeit, die in Benders Bewegungen lag, die katzenhafte Anschmiegsamkeit Saadas. Sie hatte mit den Fäusten gegen ihre Brust getrommelt und dann die Bluse zerrissen. In Fetzen flog der Büstenhalter auf die Erde, frei lagen ihre schönen spitzen Brüste in ihren Händen.
»Warum siehst du das nicht«, stammelte sie. »Warum siehst du mich nicht an? Ich bin schöner als sie … schöner … nur die Hand brauchst du auszustrecken – O verdammt, ich bin schöner als sie. Warum willst du Saada töten … denn ich bringe sie um, wenn du zu ihr läufst wie ein Hund.«
Dann stand sie in der Dunkelheit am Fenster, und ihr Blick zerfraß die Nacht. Die rechte Hand lag auf dem Knauf der Pistole, und es war ein gutes Gefühl, den Tod in der Hand zu halten –
Leo Domaschewski, der Pole, kam ins Zimmer, ohne anzuklopfen, breit grinsend, rußverschmiert, eine geballte Ladung Kraft hinter Hemd und Hose. Er blieb an der Tür stehen und nickte Cathérine zu, als diese herumfuhr und so schnell, daß kein Auge folgen konnte, die Pistole aus dem Halfter riß.
»Das kannst du, Mädchen«, sagte Leo dumpf. »Willst du wieder losballern?«
»Wo kommst du her?« fauchte Cathérine. »Was willst du hier?«
»Ich bin abgelöst worden, Schätzchen. Acht Stunden vor dieser dampfenden Hölle, und immer aufpassen, daß nichts überläuft und wie ein Feuerfluß durchs Lager läuft. Das dörrt aus.« Leo Domaschewski betrachtete Cathérine mit schiefem Kopf. Seit sie ihn damals angeschossen hatte, war er ihr aus dem Weg gegangen. Nur wenn es unbedingt notwendig war, bei Verletzungen, die er sich nicht selbst behandeln konnte, war er in die Sanitätsbaracke gekommen, brav, wortkarg, mit zusammengekniffenen Augen, hatte sich von Cathérine verbinden lassen und war ohne ein Dankeschön wieder gegangen. Aber immer, über die langen Monate hinweg, hatte er sie heimlich beobachtet, hockte bei Einbruch der Dunkelheit vor seinem ›Kino‹ und lud sich mit Sehnsucht auf wie eine Batterie.
Dieses ›Kino‹ war eine tolle Sache. Leo hatte in die Wand zu Cathérines Zimmer ein Loch gebohrt, von außen, an der Rückseite der Baracke. Das Loch war groß genug, um das Zimmer teilweise übersehen zu können, und es lag so richtig, daß man in gerader Richtung auf den Spiegel und das Waschbecken blicken konnte.
Jeden Abend zog sich Cathérine aus und wusch sich nackt von Kopf bis Fuß. Die Hitze und den Staub des Wüstentages spülte sie damit ab, erfrischte sich an dem kalten Wasser, ließ die Haut in der abendlichen Kühle atmen, und oft lief sie stundenlang nackt im Zimmer herum, legte sich auf das Metallbett und las die Zeitungen, die der Kurierhubschrauber aus Hassi-Messaoud gebracht hatte.
Leo Domaschewski klebte an seinem Loch wie eine Fliege am Leim. Sein Atem rasselte, in den Lenden schmerzte die Lust, und einmal hatte er vor ohnmächtiger Leidenschaft in das Holz der Baracke gebissen, als Cathérine
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