Der Gefangene der Wüste
bleibend, aber sie war schneller als er, sie glitt wie ein Wiesel dahin, erreichte die Berge der leeren Benzintonnen, band Fakir los, schwang sich auf den Rücken des Pferdes und trat ihm die Fersen in die Weichen.
Fakir stieg hoch, seine Nüstern blähten sich, aber dann machte er einen wilden Satz, im gleichen Augenblick, in dem Bender um die Barackenecke bog und beide Arme nach Saada ausstreckte. Wie ein schwereloses Fabelwesen stob der Hengst in die Nacht hinaus. Saada umklammerte seinen Hals, drückte ihr Gesicht in die flatternde Mähne und weinte laut.
Fakir spürte den Kummer seiner Herrin … sein Kopf streckte sich, und die schlanken Beine trommelten über den Wüstensand.
Außerhalb des Lagers XII, an der Wüstenpiste, wartete ein kleiner, gelbgestrichener Jeep. Als Saada an ihm vorbeigaloppierte, warf Leo Domaschewski seine Zigarette weg, sprang hinter das Steuer, riß die Bremse los und gab dem laufenden Motor Vollgas.
Wie eine Hyäne schoß der Wagen hinter Fakir her.
Leo Domaschewski beugte sich über das Lenkrad und begann zu pfeifen. Eine Soldatenmelodie war es, auf die man unter sich einen zotigen Text gesungen hatte.
Mädchen, hebt das Hemdchen hoch,
Soldaten ziehen in die Stadt,
stellt euch an in einer Reih,
wer noch will und keinen hat …
In fünf Minuten habe ich sie, dachte Domaschewski und grinste. In fünf Minuten habe ich sie überholt, stelle mich quer und ziehe sie aus dem Sattel.
In fünf Minuten, Leo, mein Stierchen –
Die wilde Jagd durch die Nacht endete bald.
Domaschewskis Jeep war schneller als der schnaubende Fakir. In einer dichten Staubwolke überholte er den Hengst, fuhr noch hundert Meter voraus und versperrte dann mit seiner Breitseite die Piste. Domaschewski kletterte vom Sitz, stemmte die Hände in die Seite und blickte Saada entgegen, die kurz vor ihm das Pferd hochriß und mit gewaltigem Satz über den Jeep hinwegsprang.
Das hatte Domaschewski nicht erwartet. Er fluchte, hechtete hinter das Steuer und gab erneut Gas.
»Ein Teufelsweib!« murmelte er dabei. »Verdammt, das wird einen Kampf geben!«
Von jetzt ab war es ein Wettrennen um Leben und Tod. Fakir schien es zu ahnen, sein Leib streckte sich noch mehr, wie ein Pfeil flog er durch die Nacht, ganz klein, in sich zusammengekauert, saß Saada auf seinem Rücken, während ihre Dschellabah wie eine Fahne im Wind flatterte.
Aber was ist ein Pferd – gegen einen kleinen, schnellen Jeep?
Leo Domaschewski überholte noch einmal Saada, und diesmal gab er ihr keine Gelegenheit, über ihn hinwegzuspringen. Kurz vor den trommelnden Beinen Fakirs bremste er, und Saada mußte ihr Pferd zurückreißen, damit es nicht gegen den Wagen prallte. So plötzlich war der Stop, daß sie vom Rücken glitt, weggefegt von der Fliehkraft. Sie rollte in den Sand, überschlug sich dreimal, und da war Leo Domaschewski schon bei ihr, seine großen Hände zerrten die Dschellabah weg und griffen nach Saadas vollen Brüsten.
Es war ein ungleicher Kampf. Saada trat um sich, hieb mit den Fäusten auf Leo ein, stieß den Kopf in seine Magengrube. Domaschewski grunzte nur, sein Gesicht war verzerrt, seine Augen klein und glitzernd wie bei einem Bären.
»Es hat keinen Zweck, mein Teufelchen«, keuchte er und zerfetzte Saadas Bluse. »Warum wehrst du dich? Willst dem Doktor treu bleiben, he? Du schwarzer Satan, ich will dir zeigen, was ein richtiger Mann ist –«
Er schlug zu, traf Saada zwischen die bloßen Brüste, sie taumelte zwei Schritte zurück, griff um sich, als gebe es hier einen Halt, dann sank sie zusammen, auf die Knie und krallte die Finger in den Sand.
Domaschewski lachte rauh. Er löste den Gürtel, ließ seine Hose fallen und rollte das Hemd bis unters Kinn. Massig, ein erregter Bulle, stand er vor Saada, breitbeinig, keuchend, zum Zerstören bereit.
Noch einmal versuchte Saada, ihm zu entkommen. Blitzschnell schleuderte sie Leo mit beiden Händen Sand ins Gesicht und rollte sich zur Seite.
Domaschewski lachte laut. Ein Lachen des Siegers. Er wischte sich den Sand aus den Augen und kam langsam auf Saada zu.
In diesem Augenblick sagte eine Stimme: »Halt!«
Leo fuhr herum.
Auf den Sandhügeln neben der Straße standen, Schattenrisse gegen den sternenübersäten Himmel, unbeweglich drei Kamelreiter.
Auch auf den Dünenkuppen der anderen Straßenseite tauchten lautlos drei Reiter auf und hielten dort die Kamele an. Zwei Reiter, aus der Dunkelheit wie aus der Erde wachsend, versperrten den Weg nach Bou
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