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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Akbir.
    Domaschewski wirbelte herum.
    Auch der Rückweg war abgeschnitten. Drei stumme Berber standen mit ihren Reittieren auf der Piste.
    Leo Domaschewski rann plötzlich der Schweiß über den Körper. Er fror dabei, seine Bärenaugen glitzerten. Langsam, Schritt um Schritt, tastete er sich zum Jeep zurück, aber er erreichte ihn nicht. Eine Lanze zischte durch die Luft und bohrte sich vor ihm in den Sand.
    Bleib stehen, hieß diese stumme Warnung. Bis hierher und keinen Schritt weiter.
    Domaschewski warf sich herum. Er rannte zurück zu seiner abgelegten Hose, aber sie war von Saada ergriffen worden. Mit drei langen Sätzen erreichte sie Fakir, schwang sich auf seinen Rücken, schwenkte die Hose wie eine eroberte Fahne und jagte dann seitlich in die Wüste davon.
    »Du Luder!« brüllte Leo. »Du verfluchte Hure!« Er rollte sein Hemd herunter, aber es war so kurz, daß sein Unterleib frei blieb. So stand er da und sah mit weiten Augen, wie die stummen Berber von allen Seiten auf ihn zurückten.
    Mein Revolver, dachte Domaschewski. Verdammt, ich habe meinen Colt im Jeep. In der Klappe neben dem Steuer. Nur fünf Meter sind's bis dahin. Fünf Sprünge … man sollte es versuchen.
    Er setzte an, sprang den ersten Meter, aber wieder federte vor ihm ein Speer in den Boden, knapp vor seinen Schuhspitzen.
    Werfen können sie, dachte Leo und blieb stehen. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht und in die Augen, kalter, klebriger Angstschweiß. Mit hängenden Armen wartete er darauf, was weiter geschah, und verlegte sich jetzt aufs Bitten und Drohen.
    »Was soll das?« brüllte er gegen den langsam näherrückenden Ring der schweigenden Araber. »Das wird Komplikationen geben! Man wird die Armee rufen und euch zusammenschlagen! Seid ihr verrückt geworden? Was wollt ihr von mir?«
    Die Berber schwiegen. Ihr Ring um Domaschewski war jetzt dicht. Elf in weiße Tücher gehüllte Gestalten bildeten eine Mauer um Leo. Zweiundzwanzig schwarze Augen ohne Gnade, ohne Regung starrten ihn an.
    Durch Domaschewski lief das Zittern der Todesangst. Er riß die beiden Lanzen neben sich aus dem Boden und fällte sie. Wie ein Tier, das sich mit den Zähnen wehrt, drehte sich Leo im Kreis.
    »Laßt mich in Ruhe!« kreischte er. »Platz! Gebt den Wagen frei! Ihr Hunde! Ihr stinkenden Araberhunde!« Dann ließ er die Lanzen fallen und hob bettelnd die Hände. »Was habe ich euch getan, was denn?« fragte er. Seine Stimme wurde hell und überschlug sich vor Entsetzen. »Das Mädchen … Männer, laßt euch das erklären. Ich wollte das gar nicht, ich habe gar kein Interesse an Saada. Aber Cathérine war's, kennt ihr Cathérine? Sie hat mich verrückt gemacht. Hat euch noch nie eine Frau um den Verstand gebracht? Ich wußte ja nicht, was ich tue! Männer – so hört mich doch an –«
    Seine Stimme ging in ein helles Kreischen über. Der Ring hatte sich zugezogen. Er spürte den Atem der elf stummen Männer, nahm ihren Schweißgeruch auf, starrte in ihre schwarzen, wie Glas seelenlosen Augen.
    »Nein!« brüllte er. »Nein!«
    Sein Mund blieb offen, weit, eine rote Höhle, aus der jetzt ein entsetzlicher, greller, nicht mehr menschenähnlicher Schrei quoll.
    Durch seinen Unterleib fuhr der Schmerz wie ein Blitz. Er war so wahnsinnig, daß er heulte, markerschütternd, mit irren, flatternden Augen. Seine Hände griffen zur Mitte seines Leibes … aber da war nichts mehr, nur noch Blut, das über seine Arme in den Sand floß.
    »Oh!« kreischte er. »Oh!« Und dann fiel er auf die Knie, die Hände gegen sein abgetrenntes Geschlecht pressend, warf den Kopf weit in den Nacken und weinte: »Mutter!« heulte er. »Mutter … Mutter – Oh, mein Gott –«
    Er sah die Sterne blutrot werden, der Himmel brach auf wie ein aufgeschlitzter Sack, und es regnete Blut.
    Es war leicht, mit einem scharfen, gekrümmten Kurzschwert seinen Kopf abzuschlagen. Ein Hieb nur genügte in den nach hinten gebogenen, gespannten Hals. Der Schädel Leo Domaschewskis kugelte durch den Sand, und es war schrecklich anzusehen, wie seine Augen noch voll Abwehr zuckten und die Lider sich senkten, als die Sandkörner sich in die Augenhöhlen klebten.
    Die elf stummen Männer sahen sich an, nickten sich zu und gingen würdevoll zu ihren Reitkamelen zurück. Für sie hatte das Gesetz der Wüste gesprochen. Nur ihm gehorchten sie. Sie stiegen in ihre Sättel, die Kamele erhoben sich, und schweigsam zog die kleine Karawane über die Hügel dahin, bis die Nacht sie aufsaugte gleich

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