Der Gefangene der Wüste
dem Rücken zwei Flaschen, eine mit Sauerstoff, die andere mit einem chemischen Mittel, das den doppelwandigen Anzug durchrann und einen Hitzeschutz bot. So tappte Jack Halley zum feurigen Bohrturm, um den Hals eine Metallkiste mit Sprengstoff.
»Die Explosion erfolgt über eine eingestellte Uhr«, sagte Brennot leise zu Dr. Bender und de Navrimont. Er flüsterte, als könne seine Stimme die Explosion auslösen. »Sie tickt bereits. Halleys Problem ist es, zeitig genug die Ladung anzubringen … abstellen kann er die Uhr nicht mehr, zu lange darf der Kasten nicht in der Glut liegen, dann schmelzen innen die Drähte. Er muß also den richtigen Augenblick abpassen. Ein Höllenkommando, sag' ich! Nicht für 1 Million Francs ginge ich in dieses Flammenmeer.«
Jack Halley, der kleine, krummbeinige Mann aus Texas, schritt wie eine Maschine auf den Bohrturm zu. Roboterhaft wirkte er … nur sein Gesicht hinter der dicken Panzerscheibe war noch menschlich. Als er bei Serrat vorbeikam, drehte er langsam den Helm.
»Viel Glück, Jack …« sagte Serrat heiser. Seine Mundwinkel zuckten. Halley konnte ihn nicht hören, aber er sah, daß Serrat sprach. Und er ahnte, was er sagte. Er nickte mit dem Helm und stapfte weiter. Hinein in die fetten, schwarzen Qualmwolken, hinein in die wabernde Lohe des Brandes. Hinein in eine Hölle, die gebaut war aus verbogenen rotglühenden Stahlgerüsten.
Als er eintauchte in den Rauchpilz, sah sich Halley noch einmal um.
»Verdammt, ich würde jetzt an seiner Stelle ein Vaterunser beten«, sagte Brennot mit trockener Kehle. Dann winkte er, eine Warnsirene heulte auf, die Männer rannten vom Turm weg in Deckung.
Genau fünf Minuten war Jack Halley in der Glut des Öls … dann kam er wieder aus dem Qualm hervor. Sein silberner Anzug war schwarz, das Fenster in seinem dicken Helm verschmiert. Blind tappte er vom Turm weg, wieder wie ein Roboter, aber jetzt wie einer, der irgendwo in seinem verzwickten Schaltsystem einen Wackelkontakt hat. Hundert Meter vom Ölloch sprangen Serrat und drei andere Männer aus der Deckung, hoben Halley wie eine Vase hoch und trugen ihn im Laufschritt davon.
Sie schraubten noch an seinem Helm herum, als eine ungeheure Explosion die Luft erschütterte. Der Boden schwankte, es war, als sei die Erde plötzlich aus Wellen, der Druck prallte gegen die Trommelfelle, und von der Latrine flog das Dach weg wie eine Feder. »Sag' ich's nicht?« brüllte Serrat fröhlich. »Sie haben hier das mieseste Scheißhaus der Wüste!«
Eine riesige Stichflamme jagte in den Himmel. Ein Gebirge von Sand und Steinen wirbelte gegen die Sonne, fiel dann zurück und senkte sich wie ein Deckel über das flammende Bohrloch. Mit der Gewalt von Tausenden Tonnen Geröll wurde die Ölflamme erstickt, wurde ihr die Luft abgeschnitten, versank die Hölle wieder zurück in die Tiefe der Erde.
»Das war ein Pusterchen, Junge, Junge«, sagte Serrat und schob den Helm von Halleys Kopf. »Was hast du da eigentlich in deinem Köfferchen?«
»Eigene Mischung, boy.« Halley putzte sich mit einem Taschentuch, das ihm jemand hinhielt, die Augen. »Mein Geheimnis! Das ist mein ganzes Kapital.«
»Und ein Herz aus Stein.«
»Blödsinn, boys.« Halley setzte sich und sah wie ein zufriedener Junge Brennot, de Navrimont und Dr. Bender entgegen, die zu ihm hinrannten. »Um 18 Uhr über die 27. Straße von New York zu gehen ist gefährlicher –«
Brennot umarmte Halley wie einen verlorenen Sohn. »Phantastisch«, rief er immer wieder. »Phantastisch! Genau auf den Punkt. Total erstickt! Millimeterarbeit! Halley, was kann ich Ihnen Gutes tun?«
»Geben Sie mir einen Whisky, Sir. Die ganze Flasche.« Halley zeigte auf die Verwaltungsbaracke. »Ich habe sie in Ihrem Eisschrank vorhin kaltgestellt …«
Der Brand war gelöscht, Halley wieder nach Ouargla abgeflogen, Leo Domaschewski begraben, die Aufräumungsarbeiten begannen, die Kolonne de Navrimonts kehrte zu Zentral-Camp XI zurück, mit bimmelnder Feuerwehr und dem Sanitätswagen.
Sie kamen wieder an der Kreuzung vorbei, wo Serrat die Karawane erschossen hatte … die Kamele waren säuberlich von den Geiern und Hyänen abgenagt, nur die Gerippe lagen zu Haufen herum. Bleiche Zeugen einer sinnlosen Wut.
Von Ouargla war ein Militärkommando von dreißig Soldaten und einem Hauptmann nach Bou Akbir gefahren und hatte Ali ben Achmed verhört. Er wußte, wie erwartet, von allem nichts. Er kannte nicht die Reiter, die den Bohrturm angezündet hatten, von der
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