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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hob mit Cathérine den toten Abdallah aus der Tiefkühltruhe und ließ ihn auftauen. Das war bei 50 Grad Außenhitze kein Problem … der gefrorene Leichnam schmolz so schnell, daß Cathérine kaum mit dem Aufwischen des Tauwassers mitkam. Ohne einen Anflug von Ekel schob sie den Toten für die Sektion zurecht und baute Instrumente, Präparatschüsseln, Gummitücher und Plastikbeutel auf einem Nebentisch auf.
    Der von der Hadjar-Krankheit zerfressene Abdallah sah nach seinem Auftauen schrecklich aus. Als habe der Leib nur auf die Wärme gewartet, blähte er sich auf, als sei er mit Hefe gefüllt. Ein widerlich süßlicher Geruch breitete sich in dem kleinen Zimmer aus. Dr. Bender steckte sich eine Zigarre an und hielt Cathérine das Etui hin.
    »Auch eine, Cathérine?«
    »Ich habe noch nie eine Zigarre geraucht.« Ihr hartes Gesicht war in den letzten Stunden weicher geworden, durchflossen von ungestillter Sehnsucht. Sie hatte die Lippen geschminkt und trug unter der roten Gummischürze eine dünne Nylonbluse, durch die die Spitzen des BHs schimmerten. Dr. Bender stellte es sofort bei ihrem Eintreten fest und dachte an Saada.
    »Sie sollen sie auch nicht rauchen, sondern nur mit dem Rauch den Gestank aus der Mundhöhle vertreiben.«
    »Ich habe ein paar Spraydosen nebenan –«
    »Mit denen werden Sie nichts ausrichten, Cathérine. Der Gestank wird sich in unsere Haut fressen. Aber wir müssen durch … Alles klar?«
    »Ich glaube, ich habe nichts vergessen.«
    Dr. Bender beugte sich über Abdallah. Nach dem Auftauen zersetzten sich die Zellen in rasender Eile. Die beiden kleinen Ventilatoren, die Cathérine neben den Tisch gestellt hatte, nützten gar nichts. Sie wirbelten nur die dicke Luft herum.
    »Wann waren Sie zuletzt bei einer Obduktion dabei?« fragte er.
    »Noch nie –«
    »Was?« Dr. Bender nahm aus ihrer Hand das große Skalpell, um den Körper Abdallahs mit einem Schnitt vom Brustbein bis zum Schambein zu spalten. »Und da fallen Sie nicht um?«
    »So schnell nicht. Mich hat noch nie ein Mann auf dem Rücken liegen gesehen.«
    »Noch nie?«
    »Seit Jahren nicht.« Leichte Röte schoß in ihr Gesicht. Das ärgerte sie, und sie stampfte mit den Füßen auf. »Gehört das zur Sektion?«
    »Nicht zu der Abdallahs, Cathérine –«
    »Ich bin keine Leiche … auch wenn es so aussieht!« Sie wühlte nervös in den Plastikbeuteln und verschob die peinlich ausgerichtet liegenden Instrumente.
    »Sie haben etwas, Cathérine.«
    »Nein.«
    »Lügen Sie nicht. Ich sehe es doch. Wollen Sie es mir nicht sagen?«
    Cathérine preßte die Lippen zusammen. Soll ich ihm sagen, daß ich ihn liebe … jetzt, hier, vor einer aufquellenden, eklig stinkenden Leiche? Soll ich mir die Kleider vom Leib reißen und mich daneben legen und ihn anschreien: »Da bin ich! Eine seelische Leiche! Nun such dir aus, was du haben willst. Schneid auf, was dich am meisten interessiert!«
    »Fangen Sie doch an …«, sagte sie gequält und drückte ein Tuch gegen Nase und Mund. »Sonst falle ich wirklich noch um –«
    Dr. Bender machte den ersten langen Schnitt. Bei einer Obduktion kommt es nicht auf Eleganz an, sondern nur auf einen großen Raum, um ins Innere des Körpers zu dringen.
    Abdallahs Leib klaffte auseinander. Die Gedärme schimmerten violett, durchsetzt mit großen gelben Flecken. Cathérine klammerte sich an der Tischkante fest, gallig stieg es in ihr hoch.
    Nicht umfallen, schrie sie sich innerlich zu. Nicht umfallen. Zeig ihm, welch eine Frau du bist …
    Dr. Bender eröffnete den Magen, einen schlaffen Sack mit deutlichen kleinen Durchbrüchen, gezackt, als habe man ihn mit winzigen Projektilen durchschossen.
    »Sehen Sie –«, sagte Bender und beugte sich über den offenen Körper. Seine behandschuhten Hände griffen den Magen und hoben ihn hoch. »Glatt durchgefressen! Wie Mottenfraß. Das ist die verdammte Hadjar-Krankheit!«
    Von der Tür her flog ein Luftzug in das Zimmer. Die Wolke aus Gestank kam in Bewegung. Dr. Bender und Cathérine fuhren herum, der Magen schwappte in die Bauchhöhle zurück.
    Pierre Serrat stand im Zimmer. Er warf die Tür zu und pflanzte sich mit breitgestellten Beinen davor auf. Sein Blick glitt über den aufgespalteten Abdallah.
    »Was haben Sie da eben gesagt, Doktor?« knurrte er. Es klang wie das dumpfe Brüllen eines angreifenden Panthers.
    »Gehen Sie hinaus, Serrat! Sofort!« befahl Dr. Bender.
    » Was haben Sie gesagt?«
    »Das ist die Hadjar-Krankheit! Sie haben's doch

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