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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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äußerst hässlich, und meistens geht es dabei um Kleinigkeiten. Eine Packung Zigaretten kann der Auslöser für eine Prügelei auf dem Hof oder in der Dusche sein. Zwei Packungen können einen töten.
    Greg brauchte einen Freund, der ihm den Rücken deckte.
    Annettes erster Besuch in McAlester war deprimierend und machte ihr Angst, aber das hatte sie auch erwartet. Sie wäre lieber nicht gegangen, doch außer seinen Schwestern hatte Ron niemanden mehr.
    Eine Wärterin tastete sie ab und durchsuchte ihre Handtasche. Während Annette durch die verschiedenen Schichten von Big House gelangte, hatte sie den Eindruck, im dunklen Rachen eines Ungeheuers zu verschwinden. Türen fielen krachend ins Schloss, Schlüssel klirrten, Wärter starrten sie an, als hätte sie hier nichts verloren. Wie betäubt ging sie durch die Gänge, während ein dicker Kloß in ihrem Magen lag und ihr Puls raste.
    Sie und ihre Geschwister kamen aus einer ordentlichen Familie und waren in einem ordentlichen Haus in einer mit Bäumen bestandenen Straße aufgewachsen. Sonntags waren sie zur Kirche gegangen. Und Ronnie hatte als kleiner Junge immer Baseball gespielt. Wie hatte es nur so weit kommen können?
    Du wirst dich daran gewöhnen müssen, sagte sie zu sich selbst. In Zukunft würde sie diese furchtbaren Geräusche noch oft hören. Und immer wieder die gleichen Wärter sehen. Annette fragte, ob sie Ron ein paar Sachen mitbringen könne - Kekse, Kleidung, Geld. Nein, antwortete man ihr sofort. Nur Kleingeld. Also gab sie dem Wärter eine Handvoll Münzen und hoffte, dass er sie an Ronnie weiterreichte.
    Der Besucherraum war lang und schmal und in der Mitte durch dicke Scheiben aus Plexiglas abgeteilt, an denen Trennwände standen, um wenigstens ein Mindestmaß an Privatsphäre zu schaffen. Ale Gespräche mussten über ein Telefon durch das Plexiglas geführt werden. Körperkontakt war verboten.
    Es dauerte eine Weile, bis Ronnie hereingeführt wurde. In McAlester hatte es niemand eilig. Ihr Bruder sah gesund aus, vielleicht sogar ein wenig pummelig, aber schließlich hatte sein Gewicht schon immer stark geschwankt.
    Er bedankte sich für ihren Besuch und sagte, er komme schon zurecht, brauche aber Geld. Das Essen sei furchtbar, und er wolle sich einige Lebensmittel in der Kantine kaufen. Außerdem hätte er gern eine Gitarre, ein paar Bücher und Zeitschriften und ein kleines Fernsehgerät, dass man über die Kantine kaufen könne.
    »Hol mich hier raus, Annette«, flehte er immer wieder. »Ich habe Debbie Carter nicht getötet, und das weißt du.«
    Annette hatte nie daran gezweifelt, dass er unschuldig war, obwohl einigen Familienmitgliedern inzwischen Bedenken gekommen waren. Sie und ihr Mann Marvin arbeiteten beide, denn sie hatten eine Familie zu versorgen und versuchten, noch etwas zu sparen. Das Geld war knapp bei ihnen. Was sollte sie tun? Die vom Staat finanzierten Pflichtverteidiger arbeiteten an seinem Revisionsantrag.
    Verkauf das Haus und engagier einen bekannten Anwalt, sagte er. Verkauf alles. Tu, was nötig ist. Aber hol mich hier raus.
    Die Stimmung bei ihrem Gespräch war etwas gereizt, und es flössen Tränen. In die Kabine neben Ronnie setzte sich ein anderer Häftling. Annette konnte ihn durch das Glas hindurch nur undeutlich sehen, aber sie war neugierig und wollte wissen, wer er war und wen er getötet hatte. Roger Dale Stafford, sagte Ronnie, der berühmte Steakhaus-Mörder. Stafford hatte neunmal die Todesstrafe bekommen, was der absolute Rekord im Todestrakt war. Bei einem misslungenen Raubüberfall in Oklahoma City hatte er sechs Menschen - darunter fünf Teenager - im Kühlraum eines Steakhauses regelrecht hingerichtet, dann eine dreiköpfige Familie ermordet.
    Sie sind alle Killer, sagte Ronnie immer wieder, und ständig reden sie über das Töten. Im Todestrakt ist von nichts anderem die Rede. Hol mich hier raus!
    Annette wollte wissen, ob er sich sicher fühle.
    Himmel, natürlich nicht. Schließlich lebe er mit einem Haufen Mörder zusammen. Ronnie hatte immer an den Sinn der Todesstrafe geglaubt, doch jetzt war er ein glühender Anhänger davon. Allerdings behielt er das in seiner neuen Umgebung lieber für sich.
    Es gab keine zeitliche Beschränkung für die Besuche. Schließlich verabschiedeten sie sich und versprachen, zu schreiben und zu telefonieren. Als Annette McAlester verließ, fühlte sie sich wie ausgelaugt.
    Kurz darauf begannen die Anrufe. Im Todestrakt von McAlester stellten die Wärter ein

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